Einstufung in einen Pflegegrad : Einen Pflegegrad beantragen

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Durch den Pflegegrad erhalten Sie Leistungen der Pflegeversicherung. Bild: Gina Sanders | Fotolia.com

Wenn Sie gesundheits- oder altersbedingt nicht mehr in der Lage sind, den eigenen Alltag zu bestreiten, erhalten Sie Leistungen von der Pflegeversicherung.

Pflegebedürftigkeit wird verstanden als eingeschränkte Selbständigkeit

Jede Person, die in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung versichert ist, ist automatisch auch in der Pflegeversicherung versichert. Voraussetzung für den Bezug von Leistungen aus der Pflegeversicherung ist jedoch, dass die Pflegeversicherung den Leistungsanspruch anerkennt und damit die Pflegebedürftigkeit bestätigt. Pflegebedürftigkeit wird verstanden als Einschränkung der Fähigkeit den eigenen Alltag selbständig zu bestreiten. Der Gesetzgeber hat hierfür im Pflegestärkungsgesetz II die sogenannten Pflegegrade eingeführt. Je nach Grad der Pflegebedürftigkeit wird der pflegebedürftigen Person ein solcher Pflegegrad anerkannt. An dem Pflegegrad hängt ein gesetzlich definierter Leistungsumfang. Je größer die Einschränkung, den eigenen Alltag selbständig zu bestreiten, desto höher der Pflegegrad und desto höher die von der Pflegeversicherung zu erwartenden Leistungen. 

Ein formloser Antrag genügt

Um Leistungen von der Pflegeversicherung zu erhalten, müssen diese beantragt werden. Eine einfache Information per Telefon, Mail oder Post an die zuständige Pflegeversicherung über das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit reicht aus. Die Pflegekasse schickt Ihnen dann einen formalen Antrag zu, den Sie ausfüllen müssen. Sobald der ausgefüllte Antrag bei der Kasse eingegangen ist, beauftragt diese einen Gutachter damit, die vorliegende Pflegebedürftigkeit zu begutachten und zu entscheiden, welcher Pflegegrad vorliegt. Bei gesetzlich versicherten Personen erfolgt die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Bei privat versicherten Personen ist die Firma Medicproof für die Begutachtung zuständig.

Der Begutachtungstermin

Der MDK bzw. die Firma Medicproof kontaktiert Sie zeitnah nach Ihrer Antragsstellung, um einen Termin für eine Begutachtung mit Ihnen zu vereinbaren. In der Regel erhalten Sie ein Zeitfenster von 4 bis 6 Stunden innerhalb derer der Gutachter zu Ihnen kommen soll. Die Begutachtung selbst dauert normalerweise nicht länger als eine Stunde. Der Gutachter versucht in diesem Termin einen gesetzlich festgelegten Fragenkatalog von über 60 einzelnen Fragen aus verschiedenen Lebensbereichen zu beantworten. Da es in nur einer Stunde kaum möglich ist, alle Fragen zu stellen und zu beantworten, treffen die Gutachter basierend auf einem allgemeinen Eindruck häufig Annahmen. Nach dem Begutachtungstermin teilt der Gutachter seine Einschätzung der Pflegeversicherung mit, die einen sogenannten Pflegebescheid erlässt. Diesen erhalten Sie in der Regel innerhalb weniger Tage nach der Begutachtung per Post. Im Pflegebescheid ist dokumentiert, zu welcher Einschätzung der Gutachter gekommen ist und welcher Pflegegrad Ihnen zugesprochen wird.   

Ihr Leistungsanspruch beginnt

Kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass ein Pflegegrad vorliegt, erhalten Sie dadurch automatisch Leistungen aus der Pflegeversicherung. Der Beginn Ihres Leistungsanspruchs ist der Monat, in dem Sie der Pflegeversicherung erstmalig mitgeteilt haben, dass Sie Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen möchten. Leistungen stehen Ihnen also nicht erst mit dem Tag der Bewilligung eines Pflegegrades oder dem Tag der formalen Antragstellung zu, sondern mit der ersten (auch telefonischen) Kontaktaufnahme mit Ihrer Pflegeversicherung. Daher ist es wichtig, dass Sie diesen ersten Kontakt dokumentieren – insbesondere, wenn er gegen Monatsende stattfindet. 

Wenn der Pflegegrad zu niedrig ist

Kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass ein geringerer Pflegegrad vorliegt, als dies tatsächlich der Fall ist, oder dass überhaupt kein Pflegegrad vorliegt, haben Sie die Möglichkeit gegen den Pflegebescheid der Kasse Widerspruch einzulegen. Leider ist dies eher die Regel als die Ausnahme. In circa 70% der Fälle muss man davon ausgehen, dass die Gutachten fehlerhaft sind und die konkrete Pflegesituation nicht angemessen widerspiegeln. Diese hohe Fehlerquote liegt vor allem daran, dass es sehr schwierig für den Gutachter ist Pflegebedürftigkeit zu erkennen und korrekt einzuschätzen. Der Grad der Selbständigkeit einer pflegebedürftigen Person ist meist schwankend. Zudem neigen pflegebedürftige Menschen aus Scham häufig dazu sich vor dem Gutachter “im besten Licht” zu präsentieren. Beides führt dazu, dass der Gutachter einen Eindruck gewinnt, der nicht dem tatsächlichen Grad der Selbständigkeit entspricht.

Gute Vorbereitung ist entscheidend für den Erfolg

Da die Einschätzung von Pflegebedürftigkeit so schwierig ist, empfiehlt es sich den Begutachtungstermin möglichst gut vorzubereiten. Die Verwendung eines Pflegetagebuchs oder eines Pflegegradrechners hilft Ihnen dabei besser zu verstehen, was der Gutachter versucht zu beurteilen und welcher Pflegegrad Ihnen tatsächlich zustände. Achten Sie beim Begutachtungstermin darauf, dass der Gutachter alle Bereiche, in denen die pflegebedürftige Person eingeschränkt ist, auch abfragt. 

Nutzen Sie Unterstützungsangebote

Wenn Sie sicherstellen möchten, dass die Leistungen bewilligt werden, die Ihnen zustehen, gibt es auch die Möglichkeit mit einem spezialisierten Beratungsunternehmen, wie der Firma Familiara oder einem selbständigen Pflegeberater zusammen zu arbeiten. Ein Spezialist an Ihrer Seite, der Sie während des gesamten Antragsprozesses begleitet, reduziert die Gefahr, dass die Kasse zu einer Einschätzung gelangt, die nicht den Tatsachen entspricht und Sie in ein langwieriges Widerspruchsverfahren eintreten müssen. Derartige Angebote sind zwar kostenpflichtig, erhöhen aber die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Bewilligung von Leistungen.