Sicherheit per Knopfdruck : Wie eine Hausnotrufzentrale Hilfe organisiert

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Wird der Hausnotruf ausgelöst, empfängt die Basisstation das Funksignal und stellt eine Telefonverbindung zur Hausnotrufzentrale her. ©Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.

„Die meisten Notrufe, die bei uns eingehen, sind ein sogenannter sozialer Notfall“, erzählt Matthias Krause aus seinem Alltag als Bereichsleiter Notrufdienste / Service-Center der Johanniter-Unfall-Hilfe.

Damit meint er Fälle, in denen eine Kundin oder ein Kunde zuhause gestürzt ist und nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen kann, obwohl nichts gebrochen ist. „Viele drücken auch einfach so einmal täglich auf den Hausnotrufknopf, weil das ihre Verbindung zur Außenwelt ist“, ergänzt Krause.

Hausnotruf: Notrufzentrale rund um die Uhr erreichbar

In Linden bei Gießen betreuen er und sein 50-köpfiges Team rund 19.000 Hausnotrufkunden aus den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Jeden Monat gehen etwa 13.000 bis 14.000 Notrufe in der Zentrale ein. „Das allermeiste sind zum Glück keine kritischen Notfälle“, so Krause. Rund um die Uhr, zu jeder Tag- und Nachtzeit, ist seine Notrufzentrale mit mindestens zwei Mitarbeitern besetzt. Tagsüber sind in Linden sogar immer etwa zehn Helfer im Einsatz. Sie nehmen Notrufe entgegen, die über den Hausnotrufknopf ausgelöst werden, halten Kontakt zu den Betroffenen und organisieren schnelle Hilfe. Abhängig von der Situation schicken sie einen Angehörigen, jemanden aus der Nachbarschaft, den Johanniter-Einsatzdienst oder einen Rettungswagen vorbei.

Hausnotrufzentralen sind gegen Ausfall von Strom und Telefon gewappnet

Insgesamt betreibt die Hilfsorganisation acht Hausnotrufzentralen, die über das ganze Bundesgebiet verteilt sind. Die größte von ihnen befindet sich in Essen und kümmert sich um rund 60.000 Teilnehmer. „Das Notrufsystem ist so aufgebaut, dass alle Zentralen gegenseitig ihre Arbeit übernehmen können, auch wenn in der Region der Strom, das Internet oder das Telefon ausfällt. So ist sichergestellt, dass den Kunden immer geholfen werden kann. In der Fachsprache nennt man das eine ‚geo-redundante‘ Absicherung“, erläutert Matthias Krause die Sicherheitsarchitektur.

Damit der Hausnotruf zuverlässig funktioniert, müssen die Notrufgeräte auch bei den Kunden zuhause richtig installiert sein und alles genau erklärt werden. Dafür schicken die Johanniter immer einen Mitarbeiter zu neuen Hausnotrufkunden nachhause. „Das Hausnotrufgerät einfach mit der Post zu schicken, können wir möglich machen, das reicht aber oft nicht aus. Denn in den allermeisten Fällen sind unsere Teilnehmenden zwischen 75 und 85 Jahre alt und mit technischen Fragen schnell überfordert“, weiß Krause. „Außerdem wollen wir ihnen zeigen, dass wir ein qualitativ hochwertiges System installieren.“ Seit Beginn der Covid19 Pandemie besteht die Möglichkeit eines kontaktlosen Aufbaus. Das Gerät wird entweder mit der Post geschickt oder von einem Mitarbeiter vor der Tür abgestellt bzw. übergeben. Bei der Installation in der Wohnung und bei allen Formalitäten hilft der Anbieter dann telefonisch oder über verschiedene digitale Kanäle. „Es wird niemand allein gelassen und das System in jedem Fall auf eine ordnungsgemäße Funktion überprüft“, versichert Krause.

Mehr Sicherheit zuhause: Hilfe rufen auch ohne Knopf-Drücken

Das Hausnotrufsystem besteht meist aus einer stationären Basisstation und einem wasserfesten Funksender, den Nutzer am Körper tragen – beispielsweise als Armband oder an der Halskette. Die Basisstation ist mit dem Telefonanschluss verbunden. Sie verfügt über eine Freisprecheinrichtung und eine Notruftaste. Der Funksender ist mit einem Notrufknopf ausgestattet. Wird er ausgelöst, empfängt die Basisstation das Funksignal und stellt eine Telefonverbindung zur Hausnotrufzentrale her.  Für ein Mehr an Sicherheit gibt es den Service der Tagestaste. Einmal am Tag ist der Nutzer dabei angehalten, den Notrufknopf zu einer bestimmten Zeit zu drücken. Bleibt dieses Signal aus, wird die Hausnotrufzentrale von sich aus aktiv. Sie versucht zunächst, den Teilnehmer anzurufen. Ist niemand zu erreichen, schickt sie ein Hilfsteam los oder verständigt Angehörige und Kontaktpersonen. Das gibt den Angehörigen täglich eine zusätzliche Sicherheit.

Mitarbeiter mit medizinisch geschultem Ohr

Am Telefon sitzen in den Johanniter-Hausnotrufzentralen qualifizierte Mitarbeiter, denn sie müssen schnell und richtig einschätzen können, welche Maßnahmen bei einem eingehenden Notruf einzuleiten sind. Dafür absolvieren sie im Vorfeld ihrer Tätigkeit in der Hausnotrufzentrale ein umfassendes Schulungsprogramm, welches neben technischen auch notfallmedizinische Kenntnisse vermittelt und Hospitationen im Einsatzdienst oder Rettungsdienst vorsieht.  Mit diesem Hintergrundwissen können sie durch gezielte Fragen am Telefon herausfinden, wie schwerwiegend ein Notfall ist und welche Art von Hilfe der Anrufende benötigt. Der überwiegende Teil der Mitarbeiter in den Hausnotrufzentralen sind Krause zufolge Rettungssanitäter, Rettungsassistenten und Pflegefachkräfte, also Alten- und Krankenpfleger. „Mit diesem beruflichen Erfahrungshintergrund bemerken die Mitarbeiter in den Hausnotrufzentralen auch, wenn sich psychische Krisen anbahnen“, sagt Matthias Krause. Das sei gerade bei alleinstehenden Menschen wichtig.

Falls es sich bei einem Notruf einmal nicht um den eingangs erwähnten „sozialen Notfall“ handelt, sondern der Hausnotrufkunde ins Krankenhaus gebracht werden muss, kümmert sich der Einsatzdienst bei ihm zuhause darum, dass die Tür abgeschlossen, Licht und andere Elektrogeräte ausgeschaltet und die Angehörigen benachrichtigt werden.

Dank Hausnotruf länger eigenständig

Matthias Krause erwartet, dass in Zukunft noch deutlich mehr Menschen den Hausnotruf nutzen werden. „Gegenwärtig machen drei bis vier Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland von diesem Angebot Gebrauch“, beziffert er den aktuellen Stand. In unseren Nachbarländern seien es bereits zehn bis 15 Prozent und in Großbritannien bekomme man mit 65 Jahren automatisch ein Hausnotrufgerät. „Je länger die Menschen gut versorgt zuhause leben können, desto weniger Pflegeeinrichtungen und -personal benötigen wir“, bringt er den gesellschaftlichen Nutzen des Angebots auf den Punkt.