Pflegefall – Was nun? : Schritt für Schritt zur richtigen Pflege
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Die Organisation der Pflege eines Angehörigen sollte gut durchdacht sein. ©Photographee.eu | Fotolia
Ein plötzlich auftretender Pflegefall wirft viele Fragen auf. Erfahren Sie hier, was bei der Organisation einer guten Pflege zu beachten ist.
Gerade noch war das Ehepaar Müller bei Ihren Enkelkindern zu Besuch. Die nächste Feier mit den alten Freunden ist geplant.
Familie Meier freut sich auf die Sommerferien und die gemeinsame Zeit mit den Kindern. Doch plötzlich eine Erkrankung, ein Unfall des Ehepartners, des Kindes – und das bisherige Leben gerät aus den Fugen.
Aber die Pflegebedürftigkeit ist in manchen Fällen auch das Ergebnis eines schleichenden Prozesses durch chronische Krankheiten oder durch den altersbedingten körperlichen und geistigen Altersabbau. Dadurch wird der Alltag von Senioren beschwerlicher, eventuell ist Hilfe bei der Bewältigung des Tagesablaufs notwendig, da sich zeitliche und örtliche Orientierung verändern können.
Wenn ein naher Angehöriger dauerhaft auf Hilfe im täglichen Leben angewiesen ist, bedeutet das oft eine radikale Veränderung der alltäglichen Abläufe, Gewohnheiten – oder der gesamten Lebensumstände aller an der Pflege beteiligten Menschen.
Die an der Pflege beteiligten Personen empfinden oft ein Dilemma zwischen dem Wunsch, den Angehörigen zu unterstützen, ihm zu helfen, ihn nicht im Stich zu lassen und der Notwendigkeit und dem Bedürfnis, das eigene Leben mit der Berufstätigkeit, und den alltäglichen Gegebenheiten weiter leben zu können und zu wollen.
Lassen Sie sich umfänglich beraten und stellen Sie alle Fragen, die Sie bewegen
Pflegeberatung
Nach §7a des SGB XI, haben Personen, die Leistungen der Pflegeversicherung erhalten und nach §7b Person unmittelbar ab Antragstellung, Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegberater bzw. Pflegberaterin.
Aufgabe ist insbesondere,
- • den Hilfebedarf unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung sowie die Ergebnisse der Beratung in der eigenen Häuslichkeit systematisch zu erfassen und zu analysieren
- • einen individuellen Versorgungsplan zu erstellen
Nachdem Sie einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt haben, haben Sie innerhalb von vierzehn Tagen Anspruch auf unentgeltliche individuelle Beratung durch die zuständige Pflegekasse.
Die Pflegeberater haben die Aufgabe, Ihnen die unterschiedlichen Leistungen der Sozialgesetzgebungen – bezogen auf Ihre persönliche Situation – verständlich zu erläutern. Ebenso sollen sie neben dem Erfassen des Hilfebedarfes auch ergänzende und im individuellen Fall geeignete präventiven, kurativen, rehabilitativen und sonstigen medizinischen Bedarfe, bis hin zu Wohnraumanpassenden Maßnahmen zu erfassen. Des Weiteren ist es die Aufgabe der Pflegeberater, auf die Genehmigung der von ihnen empfohlenen und erfassten Bedarfe, bei den Kassen hinzuwirken.
In Kooperation mit den Kommunen haben die Pflege- und Krankenkassen bundesweit Anlaufstellen für Fragen und Beratungen über Pflege eingerichtet.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bietet mit dem „Pflege-Telefon“ eine schnelle Hilfe und Orientierung für pflegende Angehörige. Die Expertinnen und Experten des Pflegetelefons beraten unter anderem in folgenden Fragen:
- • Wie wird Pflege organisiert?
- • Welche Einrichtungen und Dienste gibt es?
- • Welche Kosten entstehen? Wie funktioniert die Familienpflegezeit?
- • Wer hilft mir, wenn ich nicht mehr kann?
Das bundesweite Pflegetelefon ist von Montag bis Donnerstag zwischen 9 und 18 Uhr unter der Rufnummer (030) 20 17 91 31 und per E-Mail an info@wege-zur-pflege.de zu erreichen.
Stellen Sie einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung
Definition Pflegebedürftigkeit
Laut § 14 des SGB XI sind Pflegebedürftig, Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen, und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können.
Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate und mindestens mit der in §15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen.
Den Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung stellen Sie schriftlich oder mündlich (zum Beispiel per Telefon) bei der zuständigen Pflegeversicherung. Beachten Sie, dass das Datum Ihres Anrufs oder Anschreibens als Antragstellungstermin gilt, was bedeutet, dass Ihnen bei positiver Bewilligung ab diesem Tag Leistungen zustehen.
Von der Pflegeversicherung erhalten Sie einen Antrag, welchen Sie ausgefüllt zurücksenden.
Falls Ihr pflegebedürftiger Angehöriger den Antrag nicht mehr rechtskräftig unterzeichnen kann und Ihre Unterschrift von der Pflegekasse nicht akzeptiert wird, kann eine bestehende Vollmacht eingereicht werden oder es muss eine rechtliche Betreuung angeregt werden (siehe Punkt 7). Egal, wer unterschreibt oder welche Unterschrift akzeptiert wird, auch hier gilt: der Eingang des Schreibens gilt als Antragsstellungstermin.
Bereiten Sie sich auf die Begutachtung vor (Führen eines Pflegetagesbuch)
Damit Sie sich selbst einen Überblick über das Ausmaß der Selbständigkeit und des Hilfebedarf Ihres pflegbedürftigen Angehörigen verschaffen können, bietet sich ein Pflegtagebuch oder ein Selbsteinschätzungsbogen an.
Notieren Sie sich über mehrere Tage alle Hilfeleistungen (außer Hauswirtschaft wie Putzen oder Kochen) mit denen Sie Ihren pflegbedürftigen Angehörigen unterstützen. Hierzu zählen auch die Anleitung oder Beaufsichtigung von Hilfeleistungen, wie beispielsweise das Erinnern oder Animieren zur Nahrungsaufnahme.
Selbsteinschätzungsbögen sind bei einigen Pflegekassen und Sozialverbänden erhältlich. Durch die vorgegebene Systematisierung wird unter Umständen der individuelle Hilfebedarf nicht in Gänze erfasst.
Unabhängig davon, ob Sie ein Pflegtagebuch führen oder ein Selbsteinschätzungsbogen ausfüllen – die Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sind laut Begutachtungsrichtlinien (BRi 4.5.1) verpflichtet, Ihre Aufzeichnungen zu prüfen und auszuwerten.
Seien Sie bei der Begutachtung anwesend
Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit
Laut §18 des SGB XI beauftragen die Pflegekassen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung oder andere unabhängige Gutachter mit der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welcher Pflegegrad vorliegt.
Darüber hinaus sind auch Feststellungen darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit einschließlich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind.
Fünf Wochen nach Antragstellung muss ein Bescheid der Pflegekasse vorliegen. Falls dieser Zeitkorridor überschritten wird, ist die Pflegekasse verpflichtet, pro verspäteter angefangener Woche 70 Euro an den Pflegebedürftigen zu zahlen (dies gilt nicht, wenn die Kasse die Verspätung nicht zu vertreten hat).
Falls sich der Pflegebedürftige in einem Krankenhaus oder in einer Rehabilitationseinrichtung befindet und zur Sicherstellung der Weiterbetreuung eine Begutachtung bereits in der Einrichtung notwendig ist, sieht der Gesetzgeber einen Zeitrahmen von einer Woche nach Antragstellung vor.
Durch die Gutachter des MDK erfolgt die Einschätzung des Pflegegrades. Die Gutachter sind bei der Durchführung an die allgemeinen Verhaltensgrundsätze den sogenannten „Dienstleistungs-richtlinien“ (Die-RiLi) gebunden.
Grundlage zur Begutachtung des Pflegebedürftigen sind die bundesweit einheitlichen sogenannten Begutachtungsrichtlinien (BRi). In diesen sind die Kriterien festgelegt, welche Aufschluss darüber geben, welcher Umfang des Hilfebedarfs zu welchem Pflegegrad führt. Seit 2017 ist der Maßstab nicht mehr in der Einheit der „Hilfebedarf in Minuten“ angegeben, sondern wird durch den Grad der Selbstständigkeit eines Menschen bestimmt.
In der Regel erheben die Gutachter zu Beginn die pflegerelevante Vorgeschichte und die derzeitige Versorgungssituation, um diese anschließend in Bezug zur Beeinträchtigung der Selbstständigkeit zu setzen.
Die Feststellung des Pflegegrads erfolgt durch die Bewertung der Selbständigkeit der pflegebedürftigen Person in sechs relevanten Bereichen des täglichen Lebens.
- 1. Mobilität (Bewegungsfähigkeit)
- 2. Kognitive (geistige) und kommunikative Fähigkeiten
- 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
- 4. Selbstversorgung (Körperpflege, Ernährung usw.)
- 5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
- 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
„Jeder dieser Lebensbereiche ist in bis zu 16 Teilaspekte oder Einzelkriterien untergliedert, die jeweils einzeln eingeschätzt werden müssen Je nach Selbständigkeit oder Unterstützungsbedarf werden Punkte vergeben – je höher der Unterstützungsbedarf desto höher der Punktwert. Die so ermittelten Punkte werden addiert und in einen Gesamtpunktwert umgerechnet. Aus der abschließenden Bearbeitung und Gewichtung der Punktwerte ergibt sich ein Gesamtwert der über die Einstufung in einen Pflegegrad entscheidet.“ (Leitfaden zur Pflegeversicherung, Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Selbsthilfe Demenz, e.V. 2018)
Den Pflegebedarf erfassen und errechnen Sie persönlich am einfachsten mithilfe eines Pflegegradrechners. Fast alle großen Krankenkassen und Sozialverbände bieten Ihnen hierfür auf Ihren Internetseiten die entsprechenden Tabellen mit Erläuterung.
Definition Pflegegrade
Pflegegrad 1 – Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Pflegegrad 2 – Erheblich Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Pflegegrad 3 – Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Pflegegrad 4 – Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Pflegegrad 5 – Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Sie erhalten einen schriftlichen Bescheid über die Genehmigung oder Ablehnung eines Pflegegrades. Haben Sie den Eindruck, dass der Unterstützungsbedarf Ihres Angehörigen nicht richtig erfasst wurde, lassen Sie sich beraten. Gegebenenfalls legen Sie Widerspruch ein. Achten Sie darauf, ob im Anschreiben hierfür eine Frist von vier Wochen gesetzt wurde – wenn nicht, haben Sie sogar 12 Monate Zeit.
Informieren Sie sich über alle Versorgungsangebote
Leistungsarten der Pflegeversicherung
Laut § 28 SGB XI gewährt die Pflegeversicherung folgende Leistungen
§ 36 Pflegesachleistungen
§37 Pflegegeld für selbstbeschaffte Pflegehilfen
§38 Kombination von Geldleistung und Sachleistung
§39 Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson
§40 Pflegehilfsmittel und wohnumfeld verbessernde Maßnahmen
§41 Tagespflege und Nachtpflege
§42 Kurzzeitpflege
§43 Vollstationäre Pflege
§43a Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen
§43b zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen § 43b
§44 Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegeperson
§44a Zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung
§45 Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen
§ 45a Angebote zur Unterstützung im Alltag, Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags
§ 45b Entlastungsbetrag
§38a Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen
Die große Bandbreite der Leistungen der Pflegeversicherung soll jedem Pflegebedürftigen eine weitestgehend selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen. Je nach individueller Situation führen die Kombinationen der jeweiligen Leistungen zu der optimalen Versorgungssituation – für den pflegebedürftigen und sein eigenes Umfeld. Der Gesetzgeber sieht laut §3 des Sozialgesetzbuches vor, dass die Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützt, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können.
Klären Sie, wenn möglich, mit dem Pflegebedürftigen und Ihrem Umfeld:
- • Welche Wünsche und Ressourcen hat der Pflegebedürftige?
- • Wie wollen Sie (gemeinsam) die Pflege gestalten?
- • Soll die Pflege in der eigenen Häuslichkeit stattfinden?
- • Können medizinische Notfälle eintreten in denen schnelle Intervention notwendig ist?
- • Ist die Wohnung zur Durchführung der Pflege und Betreuung geeignet? Wenn nein – lässt sich das durch ein Umbau einrichten?
- • Kann der Pflegebedürftige tagsüber allein sein?
- • Ist eine Kombination von Angeboten, z.B. ambulanter Dienst und Tagespflege sinnvoll?
- • Was ist unter Beachtung der Ressourcen umsetzbar? Sind Sie beispielsweise berufstätig oder gesundheitlich beeinträchtigt?
- • Welche Angebote gibt es in Ihrer Nähe – ambulante Dienste, Tagespflegen, betreutes Wohnen oder stationäre Einrichtungen? Gibt es dort freie Kapazitäten? Wie hoch sind die zu erwartenden Kosten? Sind die Kosten für Sie finanzierbar? Oder benötigen Sie zeitweise eine Entlastung durch die Kurzzeit- oder Verhinderungspflege?
Falls Sie die Pflege ohne professionelle Hilfe durchführen möchten, stehen Ihnen die genannten Geldleistungsbeträge monatlich zur individuellen Organisation der Pflege zur Verfügung.
Falls Sie die Pflege durch die von den Pflegekassen anerkannten Pflegediensten erbringen lassen, stehen Ihnen die Beträge zur Sachleistung monatlich zur Verfügung.
Typischen Leistungen ambulanter Pflegedienste sind beispielsweise die Unterstützung oder Übernahme der Körperpflege, das An- und Auskleiden sowie das Zubereiten von Mahlzeiten.
Für die individuell vereinbarten Leistungen schließen Sie einen Vertrag mit dem ambulanten Pflegedienst ab.
Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, Leistungen zu kombinieren. Sind die erbrachten und erstattungsfähigen Kosten des Pflegedienstes niedriger als der Höchstbetrag für die Sachleistungen zur häuslichen Pflege im entsprechenden Pflegegrad, wird ein anteiliges Pflegegeld ausgezahlt. Werden zum Beispiel nur 20 Prozent vom Höchstbetrag der Sachleistungen verbraucht, so werden vom Pflegegeldanspruch noch 80 Prozent ausgezahlt.
Der Entlastungsbeitrag verfolgt das Ziel, Pflegebedürftigen so lange wie möglich ein selbstständiges Leben in ihrer gewohnten Umgebung zu ermöglichen, die sozialen Kontakte aufrecht zu erhalten und die pflegende Person zu entlasten. Der Entlastungsbeitrag ist zweckgebunden für die Inanspruchnahme von Leistungen in einer Tages- oder Nachtpflege, Kurzzeitpflege oder zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsangebote der ambulanten Dienste.
Die niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote werden zusammengefasst in „Angebote zur Unterstützung im Alltag“ und umfassen drei Angebote:
- • Betreuungsangebot
- • Angebote zur Entlastung von Pflegenden
- • Angebote zur Entlastung im Alltag
Nicht ausgeschöpfte Leistungsansprüche können im laufenden Jahr auf den nächsten Monat bzw. am Ende des Kalenderjahrs in das darauffolgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.
Pflegehilfsmittel
Ist der Pflegebedürftige einem Pflegegrad zugeordnet, werden die im Hilfsmittelkatalog des SGB XI festgehaltenen Hilfsmittel durch die Pflegekasse gegebenenfalls auf Antrag erstattet. Dazu zählen beispielsweise Pflegebetten, Hilfsmittel zur Hygiene, Hausnotrufsysteme oder Mobilitätshilfen.
Darüber hinaus gehende Hilfsmittel sind in § 33 SGB V festgehalten und werden auf ein ärztliches Attest oder Verordnung hin von der Kasse übernommen.
Unter Pflegehilfsmittel verstehen die Pflegekassen Geräte und Sachmittel, die dem Pflegebedürftigen eine selbstständige Lebensführung ermöglicht bzw. seine Beschwerden lindert. Die zu erstattenden Kosten für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel, wie beispielsweise Handschuhe oder Betteinlagen, betragen monatlich bis zu 40 Euro (unterschiedliche Sätze von Krankenkassen und Bundesländern)
Pflegebetten, Rollatoren und weitere technische Hilfsmittel werden auf Antrag und Rezept des Hausarztes einmalig bewilligt. Hier ist ein Eigenanteil bis zu 25 Euro zu zahlen.
Zuschuss für Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen
Falls die eigene Wohnung oder Häuslichkeit nicht für die Pflege geeignet ist, überlegen Sie, wie dies durch bauliche Eingriffe ermöglicht oder gar erleichtert (z. B. Dusche statt Wanne, Treppenlift) werden könnte. Die Pflegekassen unterstützen bauliche Anpassungen mit bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme auf Antrag. Der Gesamtbetrag je Maßnahme ist auf 16.000 Euro begrenzt und wird bei mehr als vier Anspruchsberechtigten anteilig auf die Versicherungsträger der Anspruchsberechtigten aufgeteilt.
Pflege bei Verhinderung einer Pflegeperson / Kurzzeitpflege
Pflegegrad 2 bis 5 – maximal 1.612 Euro pro Kalenderjahr
Sind Sie durch Krankheit oder Urlaub verhindert, stehen Ihnen die Leistungen der Verhinderungspflege zur Verfügung. Ziel ist es, den Pflegebedürftigen in seinem gewohnten Umfeld durch eine Ersatzpflege zu pflegen, während Sie selbst die Chance haben, sich zu erholen. Außerdem besteht die Möglichkeit, bis zu acht Wochen im Jahr die Leistungen einer Kurzzeitpflege in einer vollstationären Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Dies ist beispielsweise direkt nach Krankenhausaufenthalten sinnvoll oder gar notwendig.
Sollten Sie Leistungen zur Kurzzeitpflege nicht abrufen, können Sie daraus pro Kalenderjahr bis zu 806, Euro zusätzlich für die Verhinderungspflege in Anspruch nehmen, der maximale Gesamtbetrag im Jahr beträgt 2.418 Euro. Unter Anrechnung auf das Pflegegeld besteht die Möglichkeit, die Verhinderungspflege auch tage- bzw. stundenweise in Anspruch zu nehmen.
Leistungen im teilstationären Bereich / Tagespflege
Pflegegrad 2 – 689 Euro pro Monat
Pflegegrad 3 – 1.298 Euro pro Monat
Pflegegrad 4 – 1612 Euro pro Monat
Pflegegrad 5 – 1.995 Euro pro Monat
Diese Leistung kann im vollen Umfang und unabhängig vom Pflegegeld bzw. der Pflegesachleitungen ausgeschöpft werden. In einer Tagespflegeeinrichtung werden die Tagesgäste in der Zeit von 8 bis 16 Uhr aktivierend betreut und erlebenin der Gemeinschaft einen strukturierten Tagesablauf. Die Häufigkeit pro Woche legen Sie selbst, in Absprache mit der Einrichtung, fest.
Allerdings: Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten müssen zusätzlich selbst bezahlt werden. Hierfür können Sie auch den Entlastungsbeitrag nutzen.
Alternative Versorgungsformen
Neben den klassischen Angeboten der Pflege zu Hause, in der Tagespflege oder im Heim haben sich unterschiedliche Wohnformen wie Betreutes Wohnen oder Betreute Wohngemeinschaften etabliert. Wichtig ist hierbei, sich genau zu informieren, welches Konzept der jeweilige Anbieter vertritt und wie hoch die geplanten Kosten sind.
In einer Betreuten Wohngemeinschaft leben acht bis zehn Personen in einer Wohnung. Jeder hat ein eigenes Zimmer und die Gemeinschaftsräume wie Küche, Wohnzimmer, Badezimmer und Balkon werden geteilt. Je nach Absprachen mit dem ambulanten Dienst werden neben individuellen Leistungen, wie zum Beispiel die Unterstützung bei der Körperpflege, auch Leistungen für alle Wohngemeinschaftsbewohner erbracht, wie beispielsweise das Einkaufen und mittägliche Kochen. In einigen Betreuten Wohngemeinschaften agiert eine 24-stündige Betreuung.
Es gibt Betreute Wohngemeinschaften, die von den Angehörigen selbst geleitet und organisiert werden. Das bedeutet in der Regel, dass Sie als Angehöriger wöchentlich stundenweise Aufgaben in der Organisation der Wohngemeinschaft oder Betreuung übernehmen.
Neben der Miete und dem Wirtschaftsgeld fallen die Kosten für Pflege und Betreuungsleistungen an.
Ohne Pflege, aber mit kleinem Unterstützungsbedarf, bietet sich das Leben im Betreuten Wohnen an. Neben dem Leben in einer barrierefreien Wohnung und können mittels Betreuungsvertrag bei Bedarf feste oder individuelle Leistungen, wie beispielsweise die Erledigung des Einkaufs, der Reinigung oder die Installation eines Notrufes zugebucht werden. Gegebenenfalls fallen neben der Miete auch Kosten für eventuelle Betreuungsleistungen an.
Leistungen der vollstationären Pflege
Pflegegrad 1 – Zuschuss in Höhe von 125 Euro pro Monat
Pflegegrad 2 – 770 Euro pro Monat
Pflegegrad 3 – 1.262 Euro pro Monat
Pflegegrad 4 – 1.775 Euro pro Monat
Pflegegrad 5 – 2.005 Euro pro Monat
Unter der vollstationären Pflege versteht man den Daueraufenthalt in einer Pflegeeinrichtung, die umgangssprachlich auch Pflegeheim genannt wird.
Wenn Sie sich mit Ihrem Angehörigen für die Pflege in einer solchen Einrichtung entscheiden, so ist es ratsam, sich umfänglich zu informieren, bevor es zur Vertragsunterzeichnung kommt. Sie sollten die Qualität der Pflege durch Inaugenscheinnahme, durch ein persönliches Gespräch und durch eine Internetrecherche bewerten. Die Pflegeversicherung ist vom Grundsatz her mit Leistungen einer Teilkasko-Versicherung zu vergleichen, – das bedeutet, die monetären monatlichen Leistungen der Pflegeversicherungen sind gedeckelt und für den pflegebedingten Anteil der Kosten einzusetzen.
Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten (zum Beispiel für Instandhaltungen des Gebäudes) sind vom Bewohner selbst zu tragen. Zwischen den Bundesländern und den einzelnen ortsansässigen Pflegeheimen gibt es unter Umständen erhebliche Unterschiede über den monatlich zu zahlenden Eigenanteil.
Daher ist es ratsam, nach den zu erwartenden Kosten und der Höhe des Eigenanteils zu fragen.
Für alle Angebote der Pflegeanbieter – ob ambulant, teilstationär oder stationär – gilt: Die Kostensätze werden nicht selbstständig von den Anbietern festgelegt, sondern in jährlichen Verhandlungen mit den Kassen und Sozialhilfeträgern vereinbart. Falls Ihre finanziellen Mittel für die Zuzahlungen bzw. den sogenannten Eigenanteil dauerhaft nicht ausreichen, wenden Sie sich an eine Pflegeberatung, um zu prüfen, ob Sie Anspruch auf „Hilfe zur Pflege“ nach dem Sozialgesetzbuch haben.
Hilfe zur Pflege
§ 61 SGB XI Leistungsberechtigte
Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61 a sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen aufbringen. Sind die Personen minderjährig und unverheiratet, so sind auch das Einkommen und das Vermögen ihrer Eltern oder eines Elternteils zu berücksichtigen
Zunächst müssen die eigenen finanziellen Ressourcen verbraucht werden.
Als sogenanntes Schonvermögen gelten zum Beispiel. selbst genutztes Wohneigentum, Barbeträge und zweckgebundene Beträge, wie beispielsweise als Vorsorge für die eigene Bestattung.
Bei der Prüfung des Antrages ist zu beachten, dass Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre vom Sozialhilfeträger zur Deckung der Pflegekosten zurückgefordert werden können.
Zu beachten ist ferner die Unterhaltspflicht – Kinder als Verwandte ersten Grades sind innerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten verpflichtet, den Pflegebedarf ihrer Eltern zu sichern.
Nähere Auskünfte erhalten Sie bei Ihrem jeweiligen kommunalen Sozialhilfeträger.
Klären und regeln Sie die notwendigen rechtlichen Vertretungen
Vorsorgevollmacht
Mit der Vorsorgevollmacht können Sie die Bestellung einer vom Vormundschaftsgericht bestellten Betreuung vermeiden.
Sie selbst legen fest, zu welchem Zeitpunkt eine Person Ihres Vertrauens dies stellvertretend für Sie übernimmt.
Der Umfang der Vorsorgevollmacht kann variieren – von einzelnen Angelegenheiten bis zur Wahrnehmung aller Angelegenheiten.
Bevollmächtigen Sie nur eine Person, von der Sie wissen, dass sie in Ihrem Sinne vertrauensvoll entscheiden wird.
Betreuungsvollmacht
Falls Sie in Ihrem Umfeld Menschen haben, denen Sie nicht vertrauen und Sie auf keinen Fall möchten, dass diese Personen Ihre gesetzlichen Vertretungen übernehmen soll, legen Sie dies in der Betreuungsverfügung schriftlich fest. Ebenso können Sie in der Betreuungsverfügung inhaltliche Vorgaben und Wünsche für den eventuellen Pflegefall schriftlich fixieren. Diese Vorgaben sind, wenn das Wohl der betreuten Person nicht in Gefahr ist, für das zuständige Gericht verbindlich.
Auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz finden Sie unter dem Punkt „Vorsorge und Patientenrechte“ ausführliche Informationen und Formulare zu Ihrer Verwendung.
Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
Um Pflege und Beruf besser vereinbaren zu können, hat der Gesetzgeber zahlreiche Regelungen im Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz aufgeführt.
Unter dem Begriff „Familie“ werden im Gesetz Eltern, Großeltern, Schwieger- und Stiefeltern, Ehegatten, Lebenspartner in Ehe oder partnerschaftsähnlichen Gemeinschaften, Geschwister, eigene Kinder, Stiefkinder oder die Kinder des Ehepartners bzw. Lebenspartners, Ehegatten der Geschwister, Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister sowie Geschwister der Lebenspartner verstanden.
Pflegen Sie sich selbst
Wenn ein Ihnen nahestehender Mensch pflegebedürftig wird und Sie pflegerische Aufgaben übernehmen, besteht die Gefahr der schleichenden Überforderung.
Sie haben vielleicht ein tiefes Verantwortungsgefühl füreinander, eine gemeinsame Lebensgeschichte oder ein starkes Pflicht-, vielleicht auch Schuldgefühl?
Gleichzeitig tragen Sie die Verantwortung für Ihr eigenes Leben. Sie haben kleine Kinder, sind erwerbstätig, machen eine Ausbildung oder sind selbst nicht vollständig gesund oder wohnen an einem entfernten Ort.
Die Kombination beider Aspekte – sowohl die Pflege des Angehörigen als auch die Eigenpflege – ist besonders wichtig.
Nehmen Sie erste Warnsignale für eine zunehmende körperliche und seelische Erschöpfung wahr. Dies können unter anderem Kopf und Rückenschmerzen, innere Unruhe, Niedergeschlagenheit sein. Wenn Sie den Kontakt mit anderen Menschen meiden, wenn Ihnen Telefonate mit Freunden und Verwandten zu anstrengend werden., wenn Sie nur noch mit Schlaftabletten zur Ruhe finden – suchen Sie Entlastung. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich Unterstützung zu suchen. Es gibt eine Vielzahl von regionalen Unterstützergruppen, an die Sie sich wenden können.
Autorin
Eva-Maria Dressler, Pflegefachkraft, Diplom Sozialarbeiterin und Wirtschaftsfachwirtin ist seit 1988 in unterschiedlichen Verantwortungsbereichen der Pflegewirtschaft tätig. 2011 übernahm sie beim Landesausschuss für Innerer Mission a.V. mit Sitz in Potsdam, die Geschäftsführung für einen Teilbereich der LAFIM – Altenhilfe. Heute verantwortet sie mit einem Kollegen die Altenhilfe der Lafim – Diakonie in 48 Einrichtungen aller Sparten verteilt über das Land Brandenburg.
Glossar & Weblinks
Sozialgesetzbuch, dtv Beck Texte, 47. Auflage, 2018
SGB XI, Soziale Pflegeversicherung nach dem BSG III inklusive „Hilfe zur Pflege“ Lambertus – Verlag, 2017
Leitfaden zur Pflegeversicherung, Ratgeber für Angehörige und Profis, Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. , 17. Auflage 2018
Abb. 01 Aus der Präsentation Andrea Kimmel, Team Pflege MDS am 11.12.2015
„Wie funktioniert das neue Begutachtungsassessment zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI?“
Ratgeber Pflege – Gute Pflege darauf kommt es an – Informationsbroschüre des Bundesministerium für Gesundheit, 2018
Wir stärken die Pflege – Pflegestärkungsgesetz – Bundesministerium für Gesundheit unter www.wir-stärken-die-pflege.de
www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/md/gpp/bund/pflegebedürftigkeit/pflege_neu_verhandeln_2018
Betreuungsrecht dtv Beck Texte, 14. Auflage, 2018
Entlastung für die Seele – ein Ratgeber für pflegende Angehörige der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. in Zusammenarbeit mit der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung e.V. 5.Auflage, 2013
Auszeit vom Job, – Elternzeit, Pflegezeit, Sabbatical & Co, Anja Mumm, Nicole Jähnichen, Haufe – Lexware 2018
Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf – Informationsbroschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 5. Auflage, 2017