24 Stunden im Einsatz : Entlastung für pflegende Angehörige
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Entlastungs- und Unterstützungsmöglichkeiten helfen pflegenden Angehörigen dabei, Abstand zum Pflegealltag zu gewinnen. ©Photographee.eu | Fotolia.com
Ohne das Engagement pflegender Angehöriger wäre das „System Pflege“ schon längst nicht mehr zu realisieren.
Unter einer ehrenamtlichen Betätigung wird im weitesten Sinne verstanden, aus altruistischen Motiven heraus, sich freiwillig und unentgeltlich zu engagieren. In der Öffentlichkeit wird in regelmäßigen Abständen gefordert, das Ehrenamt als Fundament des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu stärken.
Dabei wird leider immer vergessen, dass das größte Ehrenamt der pflegende Angehörige leistet. Ohne ihr Engagement wäre das System Pflege nach Ansicht vieler Experten schon lange implodiert.
Dieser Artikel hat zum Ziel – nach einer kurzen Situationsbeschreibung – zu skizzieren, welche temporären Entlastungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige bestehen.
Einsatzbereitschaft bis zur körperlichen und emotionalen Erschöpfung
Der „größte Pflegedienst“ in Deutschland ist der pflegende Angehörige. Schätzungsweise 1,76 Millionen Pflegebedürftige werden durch Angehörige gepflegt. Weitere ca. 830.000 Pflegebedürftige haben für die Versorgung zu Hause die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch genommen.
In diesen Statistiken spiegelt sich der Wunsch vieler Menschen in Deutschland wider, im Falle der Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich in den gewohnten eigenen vier Wänden gepflegt, betreut und umsorgt zu werden.
Sie zeigt aber auch auf der anderen Seite, wie sehr das „System Pflege“ auf dem Engagement pflegender Angehörigen basiert bzw. abhängt, wenn gut die Hälfte der 3,4 Millionen Pflegebedürftigen innerhalb familiärer Strukturen gepflegt, umsorgt und unterstützt werden. „Wir als ambulanter Pflegedienst machen tagtäglich die Erfahrung, dass Angehörige bis zur Selbstaufgabe ihre Partner und Familienmitglieder versorgen“, so A. Winter, Pflegedienstleitung der APO CARE Nordharz GmbH. Jeder, der bereits Berührungspunkte mit Pflegebedürftigen gehabt hat, weiß, wie sehr dementielle Erkrankungen in Verbindung mit herausfordernden Verhalten, dem eigenen Pflichtgefühl und der Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit – um nur einige Aspekte zu nennen – bis zur seelischen und körperlichen Erschöpfung des pflegenden Angehörigen führen können. Dies führt nicht selten zu eigenen Erkrankungen, Krankenhausaufenthalten und schlimmstenfalls zur eigenen Pflegebedürftigkeit.
Auch wenn die Unterstützungsmöglichkeiten von Pflegeanbietern in Zeiten des Fachkräftemangels beschränkt sind, so gibt es doch verschiedene Angebote, dieses Worst-Case-Szenario zu vermeiden und frühzeitig, temporär und gezielt Hilfe und Entlastung in Anspruch zu nehmen. Im Weiteren wird nicht auf das Leistungsangebot der vollstationären Pflege eingegangen. Es sei jedoch angemerkt, dass auch diese Versorgungsform aus Sicht des Autors seine Berechtigung haben wird, da trotz der vielfältigen ambulanten Hilfeformen nicht sämtliche Fälle von Pflegebedürftigkeit zuhause bewältigt werden können. Im Fall von schwerer Demenz und schwerwiegenden Krankheiten, die eine 24-Stunden-Betreuung erforderlich machen, kann die Pflege zuhause nicht sichergestellt werden bzw. ist sie für die meisten Menschen auch aus finanzieller Sicht nicht realisierbar.
Auswahl von Leistungen der ambulanten Pflege
Aufgrund der Vielzahl von Leistungen im SGB XI wird bewusst nur eine Auswahl von Leistungen vorgestellt, welche oftmals unbekannt sind, aber maßgeblich zum längeren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit und damit verbundenen Geborgenheit und Lebensqualität beitragen können. Prinzipiell steht jedem Pflegebedürftigen je nach Pflegegrad Pflegegeld und/oder Pflegesachleistungen über die Pflegeversicherung zu. Diese Beträge sind im Rahmen der letzten Reformen insbesondere im ambulanten/teilstationären Sektor massiv erhöht worden. Auf die Darstellung der Ansprüche an Pflegesachleistungen/Pflegegeld wird an dieser Stelle verzichtet. Diese können über die Informationsportale der Pflegekassen im Internet eingesehen oder telefonisch bei der zuständigen Pflegekasse erfragt werden.
Ein grober Überblick zeigt auf, welche Leistungen möglich sind und wie diese vor dem anfangs skizzierten Hintergrund zu einer partiellen und temporären Entlastung der pflegenden Angehörigen beitragen können. Zum besseren Verständnis werden Beispiele von Leistungen entlang des breiten Spektrums von Pflegebedürftigkeit beschrieben. Pflegebedürftigkeit ist oftmals ein jahrelanger Prozess, wohlwissend dass sie im Falle eines Schlaganfalls auch abrupt eintreten kann. In den meisten Fällen beginnt sie aber damit, dass man sich weniger gut bewegen kann oder der Haushalt einem „über den Kopf wächst“. Eventuell hat man sich etwas übernommen und ist bereits das erste Mal gestürzt. Unterstützung seitens eines Pflegedienstes kann schon frühzeitig ansetzen und beugt „prophylaktisch“ einer abrupten Überlastungssituation vor. So bieten viele Pflegedienste hauswirtschaftliche Leistungen und einen (begleiteten) Einkaufsservice an. An dieser Stelle kann ein Hausnotruf zusätzlich unterstützend wirken. Der pflegende Angehörige kann beruhigt das Haus verlassen, da die Möglichkeit besteht, über ein Notrufknopf Hilfe zu rufen. Diese „vermeintlich kleinen“ Alltagshilfen können eine große Erleichterung sein.
Mit zunehmender Pflegebedürftigkeit kann der Pflegedienst bei der klassischen Grundpflege unterstützen. Hierzu zählen alle Verrichtungen der Körperpflege, die ein gesunder Mensch morgens ganz selbstverständlich verrichtet, wie beispielsweise das Zähneputzen oder Duschen.
In welcher Form und in welcher Intensität die jeweiligen Aufgaben übernommen werden, ist recht flexibel gestaltbar und wird zwischen dem Pflegebedürftigen und dem Pflegedienst vereinbart. Es ist weder Ziel und Aufgabe eines Pflegedienstes noch letzterem aufgrund begrenzter Personalressourcen oftmals möglich, eine vollumfängliche Pflege und Betreuung des Pflegebedürftigen rund um die Uhr zu übernehmen. Angehörigenpflege bildet, wie bereits eingangs beschrieben, das Fundament der Pflege in Deutschland.
Verhinderungspflege für temporäre Entlastung
Der Gesetzgeber hat schon vor Jahren erkannt, dass pflegende Angehörige vor Überforderung geschützt werden müssen und diese „Ehrenämtler“ stundenweise eine „Auszeit“ benötigen. Die sogenannte Verhinderungspflege ist allerdings vielen unbekannt und wird nur im einstelligen Prozentbereich von den Anspruchsberechtigten genutzt.
Der Anspruch auf Verhinderungspflege ist bereits dadurch erfüllt, dass eine Pflegeperson Aufgaben wie hauswirtschaftliche, Betreuungs- und grundpflegerische Leistungen (Anziehen, Waschen, beim Essen helfen) sowie jegliche Hilfestellungen im täglichen Leben (Einkaufen, Spaziergänge, Behördengänge usw.) übernimmt. Diese Pflegeperson wird durch einen professionellen Anbieter vertreten. Hier sind monatliche Leistungen bis 201,50 EUR im Monat möglich. Bei stundenweiser Verhinderungspflege (unter acht Stunden am Tag) wird auch das eventuelle Pflegegeld nicht gekürzt.
Die Leistungsinhalte der Verhinderungspflege sind bewusst „vage“ gehalten, um ein breites Spektrum an Entlastungsmöglichkeiten zu ermöglichen. Formal handelt es sich bei der Verhinderungspflege um eine Kostenerstattungsleistung, die jedem Pflegebedürftigen nach sechs Monaten Pflegezeit (Achtung: es muss nicht sechs Monate ein Pflegegrad vorhanden sein) zusteht und keiner gesonderten Antragsstellung bedarf. Die Rechnung ist lediglich bei der zuständigen Pflegekasse einzureichen. Es ist jedoch ratsam, im Vorfeld einen Antrag zu stellen, um eine zügige Erstattung der Kosten zu erlangen.
Tagespflege bietet Abwechslung und Lebensfreude
Eine weitere Form der Entlastung der Angehörigenpflege bietet die sogenannte Tagespflege. Nach dem allgemeinen Pflegeverständnis ist neben einer physiologischen Komponente der soziale Aspekt im Rahmen der Pflegebedürftigkeit nicht zu vernachlässigen. Denn mit der Pflegebedürftigkeit endet nicht das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Unterhaltung (= soziale Teilhabe), welche ganz wesentlich zur Lebensfreude und Lebensqualität eines Menschen beitragen.
Genau dieses Grundbedürfnis steht in der Tagespflege im Vordergrund. Gemeinsam mit anderen Pflegebedürftigen wird ein abwechslungsreicher Tag verlebt. Hierzu zählen Gemeinschaftsspiele, Spaziergänge, Bewegungsübungen und vieles mehr. Darüber hinaus ist für das leibliche Wohl gesorgt.
Für den pflegenden Angehörigen bietet die Tagespflege das Gefühl der Sicherheit, tagsüber seine(n) „Liebste(n)“ gut umsorgt zu wissen. Es besteht somit die Möglichkeit, eventuell einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder persönliche Angelegenheiten und termine, in Ruhe zu erledigen. Auch hier wird die Angehörigenpflege sinnvoll ergänzt und unterstützt – nicht ersetzt. Dies sei an dieser Stelle erwähnt, da pflegende Angehörige oftmals von einem schlechten Gewissen geplagt sind und eine wohlverdiente Auszeit zu kurz kommt. Die Tagespflege kann ein wichtiger Baustein sein, die häusliche Pflegesituation zu stabilisieren und den Wunsch eines Lebens in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. „Wir empfehlen, einfach mal einen Tag reinzuschnuppern“, sagt Frau J. Lingelbach, Pflegedienstleitung der APO CARE Tagespflege.
Pflegeversicherung ist kompliziert und für den Laien (oft) unverständlich
Daran haben auch die letzten Reformen nichts geändert. Daher konnte nur ein grober Ausschnitt des Themas Pflege beleuchtet werden. Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht. So bieten einige Pflegedienste neben den beschriebenen Leistungen unterschiedliche Formen von Tagestreffs, begleiteten Ausflügen und Gruppenaktivitäten an.
Abschließend kann daher nur empfohlen werden: „Verzichten Sie nicht auf die kompetente Beratung eines Pflegedienstes vor Ort“, betont Sebastian Dücker, Geschäftsführer der APO CARE Nordharz GmbH. „So bekommen Sie einen Überblick, welche Leistungsansprüche Ihnen zustehen und welche Entlastungsmöglichkeiten sich bieten.“