Wohnraumanpassung : Mit Demenz den Alltag zu Hause bewältigen
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Die Pflege von Demenzkranken bedarf besonderen Fingerspitzengefühls. Bild: Ocskay Mark - Fotolia.com
80 Prozent der Demenzkranken werden von Angehörigen zu Hause versorgt. Eine entsprechende Raumgestaltung unterstützt und verlängert deren Eigenständigkeit.
Sicherheitsrisiken ausschalten
Mit zunehmendem Alter verändert sich die Sinneswahrnehmung. Das Sehvermögen nimmt ab, das Gangbild wird unsicherer und die Orientierung schlechter. Das allgemeine Unfallrisiko steigt, denn viele ältere Menschen werden darüber hinaus zunehmend ängstlicher und setzen weniger Vertrauen in ihre körperlichen Fähigkeiten. Eva Pabst von der Beratungsstelle für pflegende Angehörige des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Bayern e.V. weiß aus Erfahrung: „Bereits kleine Maßnahmen können die Sicherheits- und Gesundheitsrisiken im häuslichen Umfeld reduzieren. Eine gute, schattenfreie Beleuchtung, die Vermeidung von Stolperfallen wie Kabel oder Schwellen, das Wegschließen von gefährlichen Gegenständen wie Bügeleisen, Putzmitteln oder Chemikalien sind leicht umzusetzende, kostengünstige Schritte mit großer risikominimierender Wirkung.“
Grundsätzlich empfehlen Experten wie Pabst auch abschließbare Fenstergriffe, Rauchmelder und eine gewisse Reiz-Reduzierung, um Irritationen auszuschalten. Dazu gehören neben dem Verzicht auf Ziermöbel, groß gemusterte Teppiche und Vorhänge auch das Abhängen von Spiegeln, um die Bewohner nicht durch die plötzliche Wahrnehmung eines vermeintlich „Fremden“ im Spiegelbild in Angst und Schrecken zu versetzen.
Anpassung der Wohnräume
Demenzkranke, die im häuslichen Umfeld leben, verbringen den überwiegenden Teil ihrer Zeit innerhalb der Wohnung. Eine den Bedürfnissen und Einschränkungen angepasste Gestaltung der Wohnbereiche hilft, den Alltag zu Hause besser zu bewältigen. Im Sanitärbereich unterstützen Haltegriffe, Toilettenerhöhung, Duschhocker sowie rutschfeste Matten in Dusche, Badewanne und auf dem Boden die Betroffenen bei der selbstständigen täglichen Körperpflege. Bei fortschreitender Demenz können auch ein sogenannter Verbrühschutz durch einen Untertischthermostat, drucksensible Abflussstöpsel sowie Türen, die sich von außen aufschließen lassen, erforderlich werden.
Eine einfache Erhöhung des Bettes, möglicherweise mit Holzblöcken, erleichtert den Demenzkranken den Ein- und Ausstieg. Um sich auch im Schlafbereich leichter zurechtzufinden, empfiehlt es sich, überflüssige Möbel zu entfernen, Schränke übersichtlich zu ordnen und zu beschriften oder mit Bildern zu versehen. Zusätzliche Sicherheit bietet ein Nachtlicht oder eine bewegungssensible Beleuchtung. Bei sehr starker Unruhe oder bei Selbstgefährdung löst eine Alarmtrittmatte am Boden in unmittelbarer Nähe des Bettes ein Signal aus und informiert die Angehörigen über die nächtliche Aktivität des Demenzkranken.
Wer jahrzehntelang selbst gekocht hat, möchte sich auch in höherem Alter eigenständig mit den gewohnten Speisen, an die sich der Gaumen gewöhnt hat, versorgen. Erna K. war zeit ihres Lebens leidenschaftliche Hausfrau und Köchin. Seit ihrer Verwitwung lebt sie allein in der ehemals gemeinsamen Wohnung. Vor zwei Jahren wurde bei ihr eine Demenzerkrankung diagnostiziert. Für ihre Tochter Hilde war klar: „Meine Mutter will weiterhin für sich selber kochen.“ Um die Küche mit den Elektrogeräten nicht zur Gefahrenquelle werden zu lassen, hat sie einige sinnvolle Schutzmaßnahmen installieren lassen. Zeitschaltuhren oder Abschaltungsmechanismen für Elektroherde und das simple Abstellen von Gasherden zählen dazu. Eine Sitzgelegenheit an der Arbeitsfläche entlastet die Beine ihrer 84-jährigen Mutter bei der Speisenzubereitung und ermöglicht es ihr, weiterhin mit Freude und selbstbestimmt ihre Mahlzeiten zu kochen.
Zur Lebensqualität gehört auch für Demenzkranke neben Privatsphäre ein soziales Leben außerhalb der eigenen vier Wände. Ein Verwandtenbesuch, eine Tasse Kaffee in einem netten Lokal oder die monatliche Seniorengruppe bereichern den Alltag. Um die Wohnung oder das Haus sicher verlassen und betreten zu können, sind die Gestaltung des Eingangsbereichs und des Treppenhauses ebenso wichtig wie die des eigentlichen Wohnraums. Schwellen, Fußmatten, Treppen und schlechte Beleuchtung stellen gefährliche Stolperfallen dar und bergen ein ernsthaftes Verletzungsrisiko. Relativ günstige bodengleiche Fußmatten sowie aufgeklebte Streifen auf den Stufen verhindern Stürze, einfache Holzrampen entschärfen Schwellen, Bewegungsmelder sorgen für gutes Licht und ein Handlauf an beiden Seiten für Sicherheit beim Treppensteigen. Größere Rampen und Treppenlifts sind mit höheren Kosten verbunden und müssen vor dem Einbau auf jeden Fall mit dem Immobilienbesitzer abgestimmt werden.
Technische Unterstützung bei Demenz
Besonders bei verwirrten, aber noch sehr mobilen Betroffenen, kommen zunehmend Hilfsmittel wie (Personen-) Ortungsgeräte mit GPS oder GSM (Handyfunknetz), Notruffunktionen oder seniorengerechte Handys mit großen Tasten und einfachen Bedienfunktionen zum Tragen und können eine Entlastung für alle Betroffenen im Alltag sein. Bildtastentelefone, Medikamentenspender mit Alarm und Zeitschalter, Schlüsselfinder und nicht zuletzt der Hausnotruf helfen den Senioren, sich besser zurechtfinden. Elektronische, an den Hausnotruf gekoppelte Sturzmelder, entweder als Armband oder an der Hüfte zu tragen, automatische Notrufsysteme bei ausbleibender oder ungewöhnlicher Bewegung einer Person, Bettenbewegungssensoren, Erinnerungsgeräte, Countdownzähler, Türkontakte und Lichtschranken sind weitere der mittlerweile zahlreichen Produkte auf dem Markt.
Finanzierung der Wohnraumanpassung
Obwohl viele der genannten Maßnahmen zur besseren Bewältigung des Alltags mit Demenz zu Hause relativ kostengünstig umzusetzen sind, übersteigen manche sehr schnell das private Budget. Unter der Voraussetzung, bestimmte Einkommensgrenzen nicht zu überschreiten, gewährt der Staat Zuschüsse bis zu 10.000 Euro pro Wohneinheit. Die Pflegekasse hat ihren Zuschuss seit 1. Januar 2015 auf 4.000 Euro pro Maßnahme erhöht. Auch die Unfall- und Rentenversicherung sind mögliche Kostenträger. Ob diese einen Beitrag leisten, hängt immer von der individuellen Situation ab und wird im Einzelfall geprüft. Bei der Klärung, welcher Kostenträger in Frage kommt, hilft die örtliche Wohnberatungsstelle. Wenn neben der staatlichen Förderung die Eigenmittel nicht ausreichen, bieten sich als weitere Finanzierungsquellen das Sozialamt oder auch Stiftungen an. Eventuell sind zudem die Hauseigentümer bereit, sich am Umbau von Haus und Wohnung zu beteiligen.
Selbstbestimmt und eigenständig zu leben, bedeutet für Menschen jeder Altersstufe Lebensqualität. Eine nach den Bedürfnissen von Demenzkranken gestaltete Privatwohnung kann helfen, diese Lebensqualität möglichst lange zu erhalten. Ein Fortschreiten der Krankheit kann jedoch einen Umzug in eine betreute Einrichtung unumgänglich machen. Für Heidi Sogawe, Heimleiterin der Parkresidenz Helmine Held, endet die Selbstbestimmung keinesfalls an der Pforte einer Senioreneinrichtung: „Besonders unser beschützender Bereich ist so gestaltet, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner ungehindert bewegen und ihre Betätigungen frei wählen können. Bei der Raumgestaltung sind natürlich viele der Faktoren eingeflossen, wie sie auch im häuslichen Bereich wichtig sind. Die Betreuungsqualität einer Einrichtung ist maßgeblich davon abhängig, wie wohl sich die Senioren darin fühlen.“