Qualität statt Quantität : Osteuropäische Hilfskräfte versus deutsche ambulante Pflegedienste
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Stellen ausländische Haushaltshilfen eine Alternative zu inländischen Pflegekräften dar? Bild: Zahar 2000 | Fotolia.com
Haushaltshilfen werden oft als Alternative zu Pflegediensten angeboten. Aber sind diese eine wirkliche Alternative? Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) bezweifelt dies.
Viele pflegebedürftige Menschen wünschen sich, oft im Einklang mit den Angehörigen, auch bei zunehmendem Pflege- und Betreuungsbedarf möglichst lange im gewohnten häuslichen Umfeld bleiben zu können. Häufig besteht der Wunsch nach einer Versorgung durch eine Person rund um die Uhr, um im Bedarfsfall Hilfestellung zu geben und als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.
Pflegeversicherung ist Teilleistungsversicherung
Mit den gegenwärtig von der Pflegeversicherung bereit gestellten Finanzmitteln allein lässt sich eine rund um die Uhr Pflege in der Häuslichkeit jedoch nicht immer sicherstellen. Denn die Pflegeversicherung ist eine Teilleistungsversicherung, welche je nach festgestellter Pflegestufe eine feste Pauschale zahlt und damit nur einen Teil der Leistungen und Kosten übernimmt. Eine tägliche 24-stündige Versorgung durch einen Pflegedienst oder eine Hauswirtschafts- oder Pflegekraft ist in Deutschland aufgrund des Arbeitsrechts nicht zulässig und wäre selbst bei Zahlung des Mindestlohnes an die Kräfte – ohne erhebliches Vermögen – kaum finanzierbar.
Sofern ein pflegebedürftiger Mensch allerdings einen sehr hohen Pflege- oder Betreuungsbedarf hat und diesen nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann, besteht Anspruch auf Leistungen des Sozialhilfeträgers. Diese Leistungen sind abhängig vom Vermögen und Einkommen der pflegebedürftigen Person und deren unterhaltspflichtigen Angehörigen. Ist der Anspruch geklärt, übernimmt der Sozialhilfeträger die Kosten der Leistungen für die vertragsgebundenen Pflegedienste.
Vermittlung osteuropäischer Hilfskräfte
Viele Menschen schämen sich, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, auch weil sie befürchten, die eigenen Kinder würden zur Kasse gebeten. Die betroffenen Menschen weichen daher auf Möglichkeiten aus, die ihnen in Kleinanzeigen, Internetseiten oder mündlichen Empfehlungen als eine kostengünstige „Rund um die Uhr-Versorgung“ angeboten werden.
In der Regel handelt es sich hierbei um die gewerbsmäßige Vermittlung von osteuropäischen Hilfskräften, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Notlage bereit sind, für einen bestimmten Zeitraum (zumeist im 3-Monats-Rhythmus) in Privathaushalten mit pflegebedürftigen Menschen zu wohnen und dort alle anfallenden Tätigkeiten von hauswirtschaftlichen Verrichtungen bis hin zu grund- und behandlungspflegerischen Leistungen zu übernehmen.
Diese sogenannten Vermittlungsagenturen erwecken häufig den Eindruck, sie würden Personal vermitteln, welches z. B. in Polen angestellt sei (sogenannte Entsendung) oder das in Deutschland selbstständig tätig wäre. Zwar gilt für östliche EU-Staaten seit 1.5.2011 die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit unbeschränkt, dennoch muss die Agentur im Herkunftsland eine korrekte Anstellung mit Anmeldung und entsprechender Beitragsentrichtung bei der Sozialversicherung vornehmen oder eine sogenannte Entsendung vereinbaren. Beides unterbleibt oftmals und es handelt sich um Schwarzarbeit oder es liegt eine Scheinselbständigkeit vor.
Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit
Abgesehen von der fraglichen Eignung dieser Kräfte kann diese Art der Beschäftigung erhebliche Rechtsfolgen für die pflegebedürftigen nach sich ziehen. Dies geht von der Nachzahlung der Sozialversicherungsabgaben und Steuern für die Kräfte bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen.
Die Bezahlung dieser Kräfte liegt in aller Regel weit unter dem in Deutschland für Pflegehilfskräfte zulässigen Mindestlohn, denn die Attraktivität dieser Arbeitsverhältnisse liegt häufig gerade in der Vermeidung von Sozialversicherungsabgaben und Steuerzahlungen begründet. Außerdem werden die sozialen Errungenschaften regulärer Beschäftigungsverhältnisse, wie etwa geregelte Arbeitszeiten, Urlaubsanspruch, Höchstarbeitszeit, Unfallversicherungsschutz etc. missachtet.
Sofern auf eine ausländische Haushaltshilfe nicht verzichtet werden soll, bietet ausschließlich die Bundesagentur für Arbeit die Garantie einer zulässigen Vermittlung inklusive der Aufklärung über die einzuhaltenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Allerdings müssen die Familien oder der pflegebedürftige Mensch in diesem Fall selbst als Arbeitgeber auftreten und das Arbeitsrecht einhalten und beispielsweise Sozialversicherungsbeiträge entrichten sowie für den Unfallschutz oder für eine Vertretung im Krankheits- und Urlaubsfall sorgen.
Fachliche Bedenken
Für den Pflegebedürftigen besteht bei der fachlichen Durchführung als keinerlei Sicherheit. Aus gutem Grund gesetzlich eingeführte Schutzmechanismen, wie die Kontrollen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen durch den Medizinischen Dienst und die Heimaufsichtsbehörden, existieren in diesem Bereich nicht.
Professionelle Pflege nach aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen erkennt eigene Ressourcen der Pflegebedürftigen, pflegt aktivierend, trägt zur Vermeidung von Sekundärerkrankungen bei und implementiert ein Qualitätsmanagement, das Fehlentwicklungen erkennt und gezielt gegensteuert. Hilfskräfte ohne jegliche Qualifikation können all dieses nicht leisten.
Gerade bei demenzerkrankten Menschen kann sich die Unfähigkeit zur Kommunikation in Verbindung entsprechend negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken. In medizinischen Notfällen ist die schnelle und kompetente Einleitung von Hilfsmaßnahmen deutlich erschwert.
Maßgeschneiderte Versorgung
In vielen Fällen lässt sich die Befürchtung von pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen, dass eine „Rund um die Uhr-Pflege“ im Haushalt erforderlich sei, im Rahmen einer Pflegeberatung angemessen reflektieren. Häufig steht der Wunsch nach Sicherheit dem tatsächlichen Bedarf an Unterstützung entgegen.
Es ist festzustellen, dass die unterschiedlichen Hilfsangebote und deren Kombinationsmöglichkeiten nur sehr selten bekannt sind. Die ständige Anwesenheit einer Betreuungskraft wird aufgrund der emotionalen Verbundenheit und damit einhergehenden Unsicherheit häufig überschätzt.
Wo eine 24-Stunden-Pflege aus medizinisch-fachlichen Gründen tatsächlich zwingend notwendig ist, stellt die Abdeckung durch eine einzelne osteuropäische Hilfskraft kaum eine angemessene Lösung dar. In diesen Fällen ist neben den Angeboten der Fachpflegedienste zur Intensiv-Betreuung auch die stationäre Versorgung zu erwägen.
Tipp: Pflegeberatung aufsuchen
Die Pflegedienste, die Mitglied des bpa sind, erbringen im Auftrag fast aller Pflegekassen eine kostenlose Pflegeberatung. Auch die Pflegekassen oder sogenannte Pflegestützpunkte bieten entsprechende Beratungen an.
Ziel dieser Beratungen ist es, den optimalen Mix an Leistungen für den einzelnen pflegebedürftigen Menschen zusammen zu stellen und die Angehörigen zu unterstützen und zu schulen. Dabei wird einerseits das Leistungsspektrum der Pflegeversicherung erläutert und die Möglichkeiten der Leistungen des Pflegedienstes oder ergänzend der Tagespflege dargelegt.
Nach einer Erhebung der vorhandenen Ressourcen des Pflegebedürftigen kann bspw. in vielen Fällen von einer nächtlichen Anwesenheit abgesehen werden, wenn stattdessen ein Hausnotrufsystem installiert wird. Zwischen den Einsätzen des Pflegedienstes können oftmals eigene Betreuungspotentiale durch Angehörige, Nachbarn oder ehrenamtliche Strukturen erschlossen und in das Versorgungskonzept eingebunden werden. Daneben kann die Fachkraft ggf. in Abstimmung mit dem Hausarzt und den Angehörigen festlegen, zu welchen Zeiten tatsächlich die Anwesenheit einer weiteren externen Kraft notwendig ist.
Abschließend lässt sich feststellen, dass osteuropäische Haushaltshilfen keine wirkliche Alternative zu inländischen Pflegediensten und ihrem geschulten Pflegefachpersonal darstellen.
Hier finden Sie wichtige und aktuelle Informationen rund um die Pflege.