Minimalinvasive Bauchchirurgie : Vor-und Nachteile der „Schlüsselloch“-OPs
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Die passende Operationstechnik für jeden Fall. Bild: Alexander Raths | fotolia.com
Kleine Narben und schnelle Genesung: Die minimalinvasive Chirurgie im Bauchraum ist heute eine gängige Operationstechnik – aber mit klar gesteckten Grenzen.
Die minimalinvasive oder laparoskopische Chirurgie ist heute eine gängige Operationstechnik und wird seit mittlerweile 30 Jahren im Rahmen der Bauchchirurgie angewandt. Im Unterschied zur klassischen, „offenen“ Technik, bei der die Bauchhöhle mit bis zu 30 cm langen Schnitten geöffnet wird, erfolgt der Zugang zu den erkrankten Organen bei minimalinvasiven Eingriffen durch mehrere, meist nur wenige Millimeter lange Schnitte. Über diese Zugänge werden Kameraoptik und spezielle Instrumente eingeführt, mit denen die Operation durchgeführt wird. Je nach Ausstattung der Kliniken werden die Eingriffe teils auch roboterassistiert vorgenommen.
Die Viszeralchirurgen Prof. Dr. med. Robert Rosenberg (Kantonsspital Baselland, Schweiz), Univ.-Prof. Dr. med. Wolfram T. Knoefel (Universitätsklinikum Düsseldorf) und der Spezialist für Leberchirurgie Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Grünberger (Krankenanstalt Rudolfstiftung, Österreich) führen pro Jahr mit ihren Ärzteteams etwa 3000 Eingriffe im Bauchraum durch. Der Trend ist eindeutig: „Wir operieren so viel minimalinvasiv wie möglich“, sagt Prof. Rosenberg, „besonders bei Eingriffen in engen Körperregionen, wie z.B. dem kleinen Becken, ist dies die erste Wahl. Das betrifft chirurgische Eingriffe z.B. am Enddarm, an der Prostata oder den weiblichen Geschlechtsorganen.“
Prof. Grünberger hat die Erfahrung gemacht, dass es meist die jüngeren Patienten unter 50 Jahren sind, die minimalinvasive Methoden gezielt nachfragen. Die sich lange Zeit hartnäckig gehaltenen Vorurteile gegenüber den sogenannten Schlüsselloch-OPs haben sich mittlerweile fast vollständig zerstreut. Die mangelnde Übersicht des Operationsgebiets wurde durch den Einsatz von 3D-Kameras und der Spezialisierung der operierenden Chirurgen nahezu aufgehoben. Sogar das Gegenteil sei der Fall, meint Prof. Knoefel: „Zum einen ist die Optik durch exzellente Vergrößerung deutlich besser geworden, zum anderen können mithilfe der Kameras Blickwinkel eingestellt werden, die man bei der offenen Chirurgie so nicht hat“. Auch die Gefahr von Blutungen lässt sich mit Hilfe der Kameraoptik nahezu ausschließen: Durch die Verwendung moderner OP-Instrumente können die Chirurgen extrem blutungsarm operieren. Dies ist Voraussetzung, um exzellente Ergebnisse zu erzielen. Selbst das Ausführen feiner Nähte sehen die Spezialisten nicht mehr als Problem. Es sei zwar technisch anspruchsvoll, dauere bei geübter Steuerung aber kaum länger als per Hand, so Prof. Rosenberg.
Die „Tastfähigkeit der Instrumente müsste verbessert werden“
Viszeral-Spezialist Knoefel aus Düsseldorf wünscht sich allerdings für die Zukunft Operationsinstrumente, deren taktile Fähigkeiten besser entwickelt sind: „Zum Beispiel bei den eben erwähnten Nähten ist ein direktes Feedback des Gewebes, ob der Faden ausreichend Halt hat oder nicht, wünschenswert. Außerdem spürt man bei laparoskopischen und auch roboterassistierten Eingriffen nicht, wie hart oder weich das Gewebe ist und ob man eventuell zu starken Druck ausübt“.
Auch beim Einführen der Instrumente durch die nur millimeterlangen Schnitte wird Druck auf das umliegende Gewebe und die Gefäße ausgeübt. Dennoch sind die Belastung und das Risiko einer Wundinfektion bei minimalinvasiven Eingriffen deutlich geringer als bei offenen Bauch-OPs mit längeren Schnitten. Selbst bei umfangreichen Operationen, bei denen zum Beispiel radikal Tumorgewebe entfernt wird, kommen die Patienten durch die Anwendung minimalinvasiver Techniken schneller wieder auf die Beine als bei Eingriffen am offenen Bauchraum.
Klassische Chirurgie hat ihre Vorteile
Dennoch betonen die Experten, dass trotz der rasanten Entwicklung der minimalinvasiven Techniken die klassische, offene Chirurgie noch lange nicht ausgedient hat: „Beispielsweise bei organübergreifenden Tumoren, ab einem Durchmesser von 25 Zentimetern oder bei erfolgten Voroperationen gibt es praktisch keine Alternative. Auch bei Einwachsen in Gefäße operieren wir klassisch“, so Professor Grünberger. Eine Operation bei geöffnetem Bauchraum wird von den meisten Chirurgen auch bei der Entfernung von multiplen Metastasen, größeren Tumoren an Leber oder Bauchspeicheldrüse bevorzugt oder wenn feinere Rekonstruktionen notwendig sind, für die ein genaues Abtasten des betroffenen Organs und des umliegenden Gewebes und der Gefäße unerlässlich sind.
Ein Nachteil der minimalinvasiven Chirurgie liegt nach wie vor im größeren Zeitaufwand. Zwar gibt es durch die Spezialisierung der operierenden Ärzte mittlerweile laparoskopische Eingriffe, die in weniger Zeit durchgeführt werden als klassische Operationen. Aber die Zeit, die der Patient in Narkose verbringen muss, sei einer der wesentlichen Faktoren bei der Entscheidung, welche Methode zur Anwendung komme, so Prof. Rosenberg: „Die Zeit des Patienten unter Anästhesie muss vertretbar bleiben. Wenn sich zum Beispiel die Dauer des Eingriffes durch die minimalinvasive Methode um etwa 1/3 verlängert, ist das aus meiner Sicht in Ordnung. Wenn Sie aber 2 bis 3 Mal so lang wird, dann sollte man meiner Meinung nach lieber die klassische Operation wählen.“
Auch bei Notfalloperationen kommt in der Regel die offene Variante zum Einsatz, da sich die Chirurgen schnell einen Überblick über die Problematik im Bauchraum verschaffen müssen.
Vertrauen in die Spezialisten
Die Entscheidung, ob ein Eingriff minimalinvasiv oder offen erfolgen sollte, fällt in der Regel nach eingängiger Beratung der Spezialisten der für die Erkrankung zuständigen Fachbereiche. Bei Krebspatienten wird beispielsweise in sogenannten Tumorboards unter Einbeziehung der verschiedenen Fachmediziner ein gezielter Behandlungsplan erarbeitet. Die Experten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz sind sich einig: Auch, wenn mittlerweile sehr viele Patienten den Wunsch nach laparoskopischen Eingriffen äußern, vertrauen die meisten dem Rat ihres Chirurgen, um individuell angepasst die optimale Operationstechnik und das beste Operationsverfahren auszuwählen.
Prof. Dr. Grünberger, Prof. Dr. Knoefel und Prof. Dr. Rosenberg sind Mitglieder bei PRIMO MEDICO – dem exklusiven Netzwerk für medizinische Spezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.