Kieferchirurgie : Letzte Rettung: Kiefer-OP

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Dank Kiefer-OP wieder lachen können. ©gpointstudio | Fotolia.com

Wenn Fehlstellungen der Kiefer Kaubeschwerden, Sprachstörungen oder eine Verunstaltung des Gesichts bewirken, hilft häufig nur noch eine Operation.

Fehlstellungen der Zähne oder des Kiefers werden in der Regel durch Zahnspangen oder Brackets korrigiert. Liegt den Fehlstellungen aber eine knöcherne Ursache zugrunde, ist dies ein Fall für einen Kiefer-Gesichtschirurgen. Gerade bei extremen Vor- oder Rücklagen des Unter- bzw. Oberkiefers sei eine Operation unumgänglich, erklärt PD Dr. med. Dr. med. dent. Denys J. Loeffelbein, Chefarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie am HELIOS Klinikum München West sowie Ärztlicher und Zahnärztlicher Leiter bei MFACE, dem KieferGesichtsZentrum München: „Das Kiefergelenk kann Fehlstellungen recht lange kompensieren, ehe es Schmerzen und Funktionsstörungen auslöst. Aber bei einer gravierenden Fehlstellung, wenn z.B. der Unterkiefer sehr weit vorne liegt, macht es Sinn, dies in Abstimmung mit dem Kieferorthopäden zunächst chirurgisch zu korrigieren und anschließend die Feinheiten kieferorthopädisch nachzubessern.“

Ästhetische Korrekturen als Nebeneffekt

Betroffene mit Kieferfehlstellungen leiden oft auch unter ihrem unästhetischen Erscheinungsbild, z.B. durch ein hervorspringendes oder zurückfallendes Kinn, vorstehende Lippen oder Zähne, die über die Unterlippe beißen. „Wenn wir Patienten haben, bei denen wir den Kiefer operieren müssen, bieten wir häufig eine Profilkorrektur mit an“, erläutert Dr. Loeffelbein. „Diese Notwendigkeit ergibt sich zum Teil bereits aus dem chirurgischen Eingriff selbst. Wenn wir den Oberkiefer versetzen, betrifft dies auch das Nasengerüst, d.h. möglicherweise steht hinterher die Nasenspitze höher als erwünscht. Wenn wir den Unterkiefer verlagern, bewegt sich zwangsläufig das Kinn mit. Wir möchten sicherstellen, dass sich durch die Operation nicht nur die Kieferfunktion, sondern auch das Erscheinungsbild des Patienten verbessert.“

Keine sichtbaren Narben

Die Operation zur Korrektur von Kieferfehlstellungen erfolgt in Vollnarkose. Der betroffene Kiefer oder Kieferanteil wird vom übrigen Skelett gelöst und mit Hilfe von Titanplatten in der neuen Position fixiert. „Was sich schlimm anhört, ist in Wirklichkeit mit Schnitten möglich, die nur doppelt so lang sind wie bei der Entfernung von Weisheitszähnen“, beruhigt Kieferspezialist Loeffelbein. „Dabei operieren wir von innen, also von der Mundhöhle aus, so dass keine sichtbaren Narben bleiben. Um unnötige Verletzungen zu vermeiden, verwenden wir sogenannte „intelligente Knochensägen“, die mit Ultraschall-Mikrovibrationen arbeiten und nur Knochen schneiden, aber kein Weichgewebe. Dank präziser 3D- Röntgenbilder und virtueller Operationsplanung wissen wir genau, wo die Nerven liegen, so dass wir nicht lange suchen müssen, sondern zügig und sorgfältig arbeiten können.“ In den ersten Wochen nach der Operation muss sich der Kiefer zunächst an die neue Stellung gewöhnen. In dieser Zeit sollten die Patienten weiche Nahrung zu sich nehmen, wie z.B. Nudeln, Kartoffeln und Fisch. Flüssignahrung ist in der Regel nicht notwendig. Gleichzeitig sollen moderne Schmerztherapiekonzepte und ggf. zusätzliche, schwellungsreduzierende und muskelentspannende Medikamente verhindern, dass der Patient überhaupt unter Schmerzen leidet.

Moderne OP-Techniken auch für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Implantate

Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalten gehören weltweit zu den häufigsten Fehlbildungen. In Europa wird eines von 500 Babys mit einer Spaltbildung geboren. Allein in München seien pro Jahr etwa 100 Kinder betroffen, erklärt Dr. Loeffelbein, der regelmäßig auch im Ausland ehrenamtlich Spaltfehlbildungen korrigiert: „Die OP-Techniken sind sehr gut ausgereift. Natürlich entsteht eine kleine Narbe. Aber das Schließen der Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalte ist wichtig für den korrekten Spracherwerb, für die problemlose Nahrungsaufnahme und um den Kindern Hänseleien wegen ihres entstellten Äußeren zu ersparen.“

Auch für den Bereich der Implantatchirurgie bedeuten die modernen Operationsmethoden eine deutliche Verbesserung in Bezug auf Wundheilung und mögliche Schwellungen, betont Dr. Loeffelbein: „Für Implantate braucht man eine ausreichende Knochensubstanz. Wenn aber z.B. aufgrund langer Zahnlosigkeit oder Entzündungen nur noch wenige Millimeter vorhanden sind, müssen wir z.B. im Oberkiefer den knöchernen Boden der Kieferhöhle künstlich wieder aufbauen. Bei dem sogenannten „Sinuslift“ lösen wir vorsichtig die Kieferhöhlenschleimhaut vom Knochen, wie wenn man ein Ei schält, aber die Eihaut nicht verletzen möchte. Und zwischen diese beiden Schichten, wie zwischen Eierschale und Eihaut, schieben wir dann vorsichtig das Knochenersatzmaterial, das später die Implantate stützt. Im Unterkiefer gestaltet sich ein Wiederaufbau teilweise nochmals komplexer“. Aber selbst komplett verlorener Kieferknochen, z.B. durch einen Unfall oder Tumorbildung, kann wiederaufgebaut werden, erläutert Kieferchirurg Loeffelbein: „Zumeist können wir an geeigneten Stellen körpereigenen Knochen entnehmen und diesen in die Defektregion verpflanzen. Wir arbeiten aber auch mit einer ganzen Bandbreite an modernen künstlichen Knochen- und Weichgewebematerialien, die meist eine gute Ergänzung zum Eigenknochen darstellen.“

Der Schrecken, den die Aussicht auf eine Kiefer- oder Mundhöhlenoperation auslöst, sei in vielen Fällen unbegründet, beruhigt Dr. Loeffelbein. „Wir arbeiten nach den neuesten wissenschaftlichen Standards und Methoden und viele Patienten wünschen sich hinterher, sie wären mit ihrem Problem schon viel früher zu uns gekommen.“