Moderne Gefäß-Chirurgie : Komplexe Eingriffe an sensiblen Blutbahnen

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Prof. Dr. med. Ernst Weigang (links) und sein Team im OP. Bild: Michael Setzpfandt

Der Ruf nach einer Zentralisierung der Aorten-Chirurgie wird immer lauter. Gefragt sind routinierte Gefäßspezialisten und modernste OP-Technik.

Jedes Jahr geraten etwa 6000 Menschen in Deutschland in eine lebensbedrohliche Situation, weil Ihre Hauptschlagader, die Aorta, reißt. Ursache ist in vielen Fällen eine Erweiterung der Aorta, ein sogenanntes „Aortenaneurysma“, das nur selten Krankheitssymptome hervorruft. Sofern es nicht im Rahmen einer Routine- oder Vorsorgeuntersuchung mittels Ultraschall entdeckt wird, spüren die meisten Betroffenen erst etwas, wenn es fast zu spät ist. Eine Operation an der größten Schlagader des Körpers ist nicht ohne Risiko. Aus diesem Grund hat der international ausgewiesene Aortenspezialist Prof. Dr. med. Ernst Weigang ein neues Aortenzentrum innerhalb des Gefäßzentrums Berlin-Brandenburg im Hubertus Krankenhaus Berlin etabliert. Zusammen mit seinem Team aus vier Oberärzten, vier Fachärzten und fünf Assistenzärzten führt er hier 4-5 geplante, sowie 1-2 Notfall-Operationen pro Tag durch. Hierzu zählen auch Eingriffe am Aortenbogen sowie an der Brust- und Bauchschlagader. Wenn immer es möglich ist, werden diese Eingriffe minimalinvasiv durchgeführt. Dies ist besonders wichtig, da viele Patienten, die an einer Erkrankung der Aorta oder der anderen Gefäße leiden, zwischen 60 und 80 Jahre alt sind. Die deutlich kürzere Genesungszeit bei minimalinvasiven Eingriffen verhindert Folgeschäden durch unnötig lange Krankenhausaufenthalte. In vielen Fällen kann auf wochenlange Reha-Maßnahmen ebenfalls verzichtet werden. Prof. Weigang arbeitet hierfür u.a. mit über 10 verschiedenen nationalen und internationalen Herstellern von Stentgraft-Prothesen zusammen. Durch die Produktvielfalt der verschiedenen Anbieter kann sichergestellt werden, genau die richtige Stent-Prothese für das individuelle Problem des Patienten verwenden zu können.

Aortenzentrum bündelt medizinisches Know-how und modernste Technik

Durch dieses Alleinstellungsmerkmal bekommt das Aortenzentrum des Gefäßzentrums Berlin-Brandenburg viele Anfragen von Problempatienten aus dem In- und Ausland. Während bei eigenen Operationen im Hubertus Krankenhaus so gut wie nie Nachoperationen notwendig sind, kommen immer mehr Patienten aus anderen Krankenhäusern speziell zu komplizierten Re-Eingriffen zu Prof. Weigang und seinen Kollegen. Er selbst ist Mitglied der Bundesarbeitsgruppe „Gefäßchirurgie“ des 2015 gegründeten Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen, IQTIG, das im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums die Qualität der medizinischen Leistung in Deutschland überwacht. In Bezug auf die diffizile Aortenchirurgie gibt es bedauerlicherweise bisher keine bundesweite verpflichtende Qualitätssicherung. Dies müsse sich dringend ändern, sagt Professor Weigang. Bis dahin rät er Patienten bei geplanten Eingriffen an der Aorta oder der Halsschlagader darauf zu achten, den Eingriff nur in zertifizierten Gefäßzentren mit möglichst großer Erfahrung, modernen Operationsmethoden und neuester OP-Technik durchführen zu lassen.

Hybrid-Operationen für Risikopatienten

Seit zwei Jahren steht Prof. Weigang und seinem Team hierfür ein hochmoderner Hybrid-Operationssaal zur Verfügung. Durch die Kombination aus Operationsraum und Angiolabor mit modernster Bildgebungstechnik können Diagnostik und Behandlung gleichzeitig stattfinden. Diese Angiografieanlage liefert mittels Röntgentechnik genaueste Bilder der Blutbahnen und ermöglicht hierdurch minimalinvasive Gefäßoperationen kombiniert mit Katheter-Eingriffen. Dies kommt zum Beispiel bei einer Verengung der Leisten- und Beckenschlagader (A. femoralis und A, iliaca) zum Einsatz. Nach Lokalisierung der Problemstelle kann die Kalkablagerung aus dem Gefäß ausgeschält und die geöffnete Schlagader mit Hilfe einer Patchplastik, (einem „Flicken“) aus biologischem Material rekonstruiert werden. Der Hybrid-Operationssaal wird vor allem für Risikopatienten genutzt, die dort sicherer und präziser versorgt werden können.

Operation der Halsschlagader auch ohne Vollnarkose

Noch viel größer ist die Zahl derjenigen, die aufgrund gefährlicher Gefäßverengungen einen Schlaganfall erleiden: Jedes Jahr betrifft dies bis zu 45.000 Patienten in Deutschland. Gerade die Halsschlagader (A. carotis), die für die Blutversorgung des Gehirns verantwortlich ist, ist deshalb ein hochsensibler Operationsbereich. Prof. Weigang und sein Team führen pro Jahr bis zu 300 Eingriffe an der Halsschlagader durch. Zu 90 Prozent wird hier eine minimalinvasive Operationsmethode gewählt, wobei die Chirurgen darauf achten, den nur drei bis vier Zentimeter langen Hautschnitt möglichst in eine Halsfalte zu setzen, so dass er später nicht auffällt. Da Prof. Weigang auch Carotis-Operationen mit Hilfe der Anästhesisten mit Ultraschall gesteuerter Lokalanästhesie durchführt, ermöglicht er diese lebensrettenden Eingriffe auch für Patienten mit starken Ängsten oder früheren Narkoseproblemen, bei denen eine Vollnarkose nicht möglich ist.

Überwachung der Hirnfunktionen während der Carotis-Operation

Für die Patienten besonders wichtig ist die Entscheidung der Gefäßspezialisten, Carotis-OPs möglichst ohne Fremdmaterial durchzuführen. Über einen kleinen Hautschnitt wird die Carotis wie ein Strumpf nach außen gestülpt. Anschließend können die Chirurgen Ablagerungen ausschälen und den betroffenen Part der Halsschlagader wieder zurück stülpen. Mittlerweile werden so 90 Prozent aller Carotis-Eingriffe ohne Fremdmaterial (z.B. biologische Patches) ausgeführt. Dies erleichtert dem Körper die Heilung. Abstand nehmen Prof. Weigang und sein Team von der Methode, den Blutstrom der Halsschlagader durch ein eingeführtes Röhrchen (Shunt) routinemäßig während der Operation zu überbrücken. Die Gefahr, die Innenwand der Carotis hiermit zu verletzten oder Gerinnsel abzulösen, die dann ins Gehirn abgeschwemmt werden und hier zum Schlaganfall während der OP führen können, seien um ein Vielfaches höher als der Nutzen dieser Methode, sagt Prof. Weigang: „Wir nutzen stattdessen ein intraoperatives Neuromonitoring für beide Großhirnhälften. Dabei wird mittels Klebeelektroden der Sauerstoffgehalt in beiden Hirnhälften gemessen. Dies gibt uns zusätzliche Sicherheit, dass beim Abklemmen der Carotis keine Versorgungslücken entstehen. Die eben erwähnte Überbrückung mittels kleiner Röhrchen kommt bei uns nur zum Einsatz wenn das Neuromonitoring einen Abfall des Sauerstoffgehalts im Gehirn anzeigt und wir dann eine schnelle Blutversorgung herstellen müssen.“ Darüber hinaus führen Prof. Weigang und sein Team bei Hochrisikopatienten (Patienten, die wegen eines Tumors an der gleichen Halsseite bestrahlt oder operiert wurden sowie bei Patienten, die einen erneuten Eingriff an der Halsschlagader benötigen) diesen Eingriff in lokaler Betäubung mittels Stentimplantation in die Carotis durch.