Paragraphendschungel Pflege : Wer blickt hier eigentlich noch durch?

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Die Pflege in der vertrauten Umgebung ist der Wunsch vieler älterer Menschen. Bild: Gina Sanders - Fotolia.com

Die Bundesregierung hat 2015 mit den sogenannten Pflegestärkungsgesetzen ermöglicht, dass ca. 3 Milliarden EUR jährlich in die Pflegeversicherung einfließen.

Die Pflegeversicherung (siehe Sozialgesetzbuch XI) ist im April 2014 20 Jahre alt geworden. Nachdem im Jahr 2010 der damalige Minister Philipp Rösler das Jahr der Pflege für das Jahr 2011 ausrief, jedoch nach Meinung von Experten relativ wenig passiert ist, hat die derzeitige Regierung eine Pflegereform für das Jahr 2015 umgesetzt. Mit dem sogenannten Pflegestärkungsgesetz I fließen ca. weitere 3 Milliarden EUR jährlich in die Pflegeversicherung. Finanziert werden die Mehrleistungen für die Pflege durch eine Beitragssteigerung von 0,3%. Mit dem Pflegestärkungsgesetz II, geplant für das Ende der jetzigen Legislaturperiode, planen CDU und SPD eine weitere Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,2%, so dass insgesamt bis Ende des Jahres 2017 ca. 6 Milliarden EUR zusätzlich in Kassen fließen.

Mehr Geld = bessere Versorgung der Pflegebedürftigen?

Prinzipiell sind die höhere Finanzausstattung der Pflegeversicherung und die Dynamisierung der Sachleistungsbeträge und Pflegegelder in den einzelnen Pflegestufen zu begrüßen. Pflegende Angehörige bekommen höhere Pflegegelder ausgezahlt bzw. es besteht die Möglichkeit mehr Leistungen bei professionellen Pflegeanbietern wie ambulanten Pflegediensten und Tagespflegen in Anspruch zu nehmen. In stationären Pflegeeinrichtungen sinkt unter Umständen der Eigenanteil für die Pflegebedürftigen. 

Es lohnt sich jedoch, genauer hinzuschauen. Die gesetzliche Pflegeversicherung hat im Jahr 2013 – vor der jetzigen Pflegereform – 600 Millionen EUR mehr eingenommen als ausgegeben. Die Reserven sind mit den Überschüssen der vergangenen Jahre auf über 6 Milliarden EUR angewachsen. Im Zuge der demografischen Entwicklung in Deutschland wird selbstverständlich in den nächsten Jahren mehr Geld für die Pflege benötigt. Die Bundesregierung hat daher im Rahmen des Pflegestärkungsgesetzes einen „Pflegevorsorgefond“ aufgelegt, um die zukünftig zu erwartenden, höheren Ausgaben für Pflege abzufedern.

Die Überschüsse zeigen jedoch, dass bereits heute nicht alle Mittel abgerufen werden. Das legt den Schluss nahe, dass die bereitgestellten Zuschüsse der Pflegeversicherung, welche zukünftig weiter aufgestockt werden, nicht vollständig bei den Pflegebedürftigen ankommen. Aber woran liegt das?

Pflegeversicherung ist kompliziert und für den Laien (oft) unverständlich

Da sich die Bevölkerungspyramide in den nächsten Jahren „auf den Kopf stellt“, wurde die Pflegeversicherung – geregelt im Sozialgesetzbuch XI – in den letzten Jahren stetig reformiert.

Anstieg der Anzahl der Pflegebedürftigen von derzeit ca. 2,6 Mio auf 3,1 Mio. Pflegebedürftige im Jahr 2030.

So ist das Pflegestärkungsgesetz I nach dem Pflegeneuausrichtungsgesetz die zweite Pflegereform innerhalb von drei Jahren. Im Ergebnis ist die Organisation der Pflege kompliziert und teilweise bürokratisch. Selbst Experten, die sich tagtäglich damit beschäftigen, haben Probleme, einen Überblick über alle Leistungsansprüche zu behalten. 

Viele Pflegebedürftige und Angehörige fragen sich: Was trifft auf uns zu und wer finanziert was? Ein Blick in das Gesetz ruft bei vielen Beteiligten nur noch Fragezeichen im Kopf hervor.

Wunsch so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu wohnen

Der „größte Pflegedienst“ in Deutschland ist nach wie vor der pflegende Angehörige. Nach der Pflegestatistik 2011 wurden 1,18 Millionen Pflegebedürftige durch Angehörige gepflegt. Weitere 576.000 Pflegebedürftige haben für die Versorgung zu Hause die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch genommen. 

In diesen Statistiken spiegelt sich der Wunsch vieler Menschen in Deutschland wider, im Falle der Pflegebedürftigkeit, so lange wie möglich in den gewohnten eigenen vier Wänden gepflegt, betreut und umsorgt zu werden. Diesen Wunsch hat auch der Gesetzgeber erkannt und das Credo „ambulant vor stationär“ für die Pflege ausgerufen. Die wenigsten wissen jedoch, was in diesem Bereich möglich ist.

Auswahl von Leistungen der ambulanten Pflege

Aufgrund der Vielzahl von Leistungen im SGB XI wird bewusst nur eine Auswahl von Leistungen vorgestellt, welche oftmals unbekannt sind, aber maßgeblich zum längeren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit und damit verbundenen Geborgenheit und Lebensqualität beitragen können. „Verzichten Sie nicht auf die kompetente Beratung eines Pflegedienstes vor Ort“, gibt Sebastian Dücker, Geschäftsführer der APO CARE Nordharz GmbH, zu bedenken. Prinzipiell steht jedem Pflegebedürftigen je nach Pflegestufe Pflegegeld und/oder Pflegesachleistungen über die Pflegeversicherung zu. Diese Beträge wurden im Rahmen des Pflegestärkungsgesetz I um bis zu 4% erhöht.

Wie eingangs erwähnt, wird die Mehrheit der Pflegebedürftigen von Angehörigen gepflegt und betreut. Dies erfolgt teilweise bis zur persönlichen körperlichen und mentalen Überforderung und Erschöpfung. Hier bietet die Pflegeversicherung als Entlastung die sogenannte Verhinderungspflege an.

Der Anspruch auf Verhinderungspflege ist bereits dadurch erfüllt, dass eine Pflegeperson z.B. hauswirtschaftliche Leistungen, Betreuungsleistungen, grundpflegerische Leistungen (Anziehen, Waschen, beim Essen helfen) sowie jegliche Hilfestellungen im täglichen Leben (Einkaufen, Spaziergänge, Behördengänge usw.) erledigt. Diese Pflegeperson wird durch einen professionellen Anbieter vertreten. Hier sind monatliche Leistungen bis 201,50 EUR im Monat möglich. Bei stundenweiser Verhinderungspflege (unter acht Stunden am Tag) wird auch das eventuelle Pflegegeld nicht gekürzt. Diese Leistung ist vielen unbekannt und wird nur im einstelligen Prozentbereich von den Anspruchsberechtigten genutzt.

Seit dem 01.01.2015 steht jedem Pflegebedürftigen, unabhängig davon, ob er eingeschränkt alltagskompetent (i.d.R. bei Demenz) ist, 104 EUR pro Monat für Betreuungs- und Entlastungsleistungen zu. Diese Leistungen können zwar nicht für die Grundpflege, dafür aber für Hauswirtschaft und Betreuungs- und Entlastungsleistungen genutzt werden, so dass auch damit die Versorgung zu Hause stabilisiert werden kann. Des Weiteren übernimmt die Pflegekasse anteilig Umbaumaßnahmen in der Wohnung. Hierzu zählen auch technische Hilfen, welche im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglichen, erheblich erleichtern oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederherstellen.

Entlastung durch die Tagespflege

Viele Pflegebedürftige und pflegende Angehörige haben das Ziel solange wie möglich einen Umzug des Pflegebedürftigen in ein Pflegeheim hinauszögern oder gänzlich zu vermeiden. Gleichzeitig „wächst ihnen aber die Pflege zu Hause über den Kopf“, so Sebastian Dücker. Eine Tagespflege setzt genau dort an. Sie entlastet den Angehörigen, ermöglicht soziale Teilhabe, d.h. Unterhaltung, soziale Kontakte, für den Pflegebedürftigen und schafft ein Mehr an Lebensqualität. Als teilstationäre Pflegeeinrichtung bietet sie die Möglichkeit, tagsüber einen abwechslungsreichen Tag in der Gemeinschaft zu verbringen und abends die Möglichkeit in die Behaglichkeit der eigenen vier Wände zurückzukehren. Der Angehörige wird gezielt entlastet, bekommt Zeit zum „Verschnaufen“ und für persönliche Angelegenheiten.

Im Zuge des Pflegestärkungsgesetzes I entfallen unverständliche und komplizierte Verrechnungen zwischen ambulanter und teilstationärer Pflege. Im Ergebnis stehen ab dem Jahr 2015 die doppelten Leistungsbeträge für die Tagespflege zur Verfügung. 

Gute Beratung = bessere Leistungen für Sie

Zusammenfassend wird empfohlen, sich intensiv und unverbindlich durch einen Pflegeexperten beraten zu lassen. Hierbei zu nennen sind ambulante Pflegedienste vor Ort. Auch sogenannte Pflegestützpunkte bieten eine kompetente Beratung an. Sie existieren jedoch derzeit noch nicht flächendeckend.

Weitere Informationen und kompetente Beratung zur Organisation in der Pflege erhalten Sie hier.