Mit MS auf Reisen : Urlaub intensiv? – Aber Bitte

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Alle an Bord: Klaus Michelmann und sein RENAFAN Intensiv-Pflegeteam. Bild: Ewa Schnürch (RENAFAN Intensiv)

Eine Urlaubsreise stellt für Schwerstkranke oft eine schier unüberwindliche Hürde dar. Verzichten muss aber niemand, wenn das Pflegeteam stimmt.

Auch wenn das letzte Hemd keine Taschen hat: Es lohnt sich, etwas zurückzulegen. Damit man sich was gönnen kann: Schick Torte essen. Kino. Oder auch mal Urlaub. So sieht das zumindest der ehrenamtliche Betreuer Harald Hamann. Es ist natürlich nicht so einfach, wenn man das alles für einen Schwerstpflegebedürftigen organisiert, aber machbar. Zumindest, wenn der Kontakt zum Kunden und zu seinem Pflegeteam stimmt, wie im Falle von Klaus Michelmann. Der Mann hatte einst die ganze Welt bereist, leidet aber seit 2005 unter der schwersten Verlaufsform der MS und ist auf Rollstuhl, künstliche Ernährung und Beatmung angewiesen. Er kommuniziert mit seinem Betreuer und dem Pflegeteam, das ihn rund um die Uhr in seiner Wohnung in Berlin-Pankow betreut, hauptsächlich über Lidschlag und Lächeln. Wer ihn nicht kennt, könnte denken, dass er nichts mehr mitbekommt. Aber Michelmann bekommt alles mit, und er liebt es, zu genießen. Kultur, Musik, Konditorkunst: das gute Leben eben. Als Hamann von den Ersparnissen erzählte, und dass man damit eine Reise an die Ostsee überlegen könnte, strahlte Michelmann.

Pflege zum Mitnehmen

Nicht, dass sich der 73-Jährige von der Erkrankung bislang besonders hatte aufhalten lassen: Mithilfe seines fünfköpfigen Pflegeteams von RENAFAN Intensiv stehen regelmäßig Ausflüge in die Berliner Philharmonie, ins Europacenter oder zur Grünen Woche auf dem Programm, gern auch in Begleitung seiner Schwester, die dann eigens aus Flensburg anreist. Aber ein richtiger Urlaub war bislang nicht drin. Nicht nur er, sondern auch vier Pflegekräfte aus seinem Team mussten und wollten schließlich mit, also fünf Leute plus Gepäck. Dazu Rollstuhl, Sauerstoffflasche, Sondennahrung, Medikamente, Absauger, Katheter, Beatmungsgeräte, Anti-Dekubitus-Matratze und so fort. Ein bekannter Fahrdienst fand sich bereit, die An- und Abreise nach Stralsund und Hiddensee zu übernehmen, aber an die Suche nach einem geeigneten Feriendomizil gestaltete sich zäh. Pflegebett und fahrbarer Lifter waren für das Team ein Muss. Und da es eine solche Ausrüstung in den Unterkünften nicht gab, lieh man beides kurzerhand bei Firmen vor Ort aus und sorgte mit einiger Überzeugungsarbeit dafür, dass es temporär in einer Ferienwohnung installiert wurde. Die Dienste – 24/7 – waren zu viert gut abzudecken.

Anpassung ans Unbekannte

Zwei Wochen lang Wind um die Nase und raus bei jedem Wetter: Man startete gut gelaunt am 05.07.2016. Die Männer kamen in der Ferienwohnung gemeinsam mit Klaus Michelmann unter, die Frauen in die Wohnung nebenan. Sehr dünne Wände, Kopfsteinpflaster, das mit historisch nicht mehr zu beschreiben war und die räumliche Enge waren Herausforderungen, aber nach einigen Anpassungen spielte man sich ein, alles lief reibungslos. Dass dieser Juli nicht gerade sommerlich warm war, störte die Truppe wenig. Sie logierten fünf Minuten vom Hafen entfernt, konnten Schiffe gucken oder selbst in See stechen, Torte essen oder Spazieren gehen. Highlights waren Hiddensee und das Ozeaneum, das sich rührend um den Gast mit besonderen Bedürfnissen bemühte.

Seele baumeln lassen

Auch das Team genoss die Reise als eine wunderbare Abwechslung. Dadurch, dass die KollegInnen sich schon lange kennen, gelangen die Abstimmungen sehr gut. Jeder fand genug Raum, bei einem Strandspaziergang auch einmal die Seele baumeln zu lassen und dann entspannt in den Dienst zu gehen. Für den Betreuer gab es eine Postkarte und nach der Rückkehr viele Fotos vom glücklichen Michelmann und seinem glücklichen Pflegeteam. Hamann war zufrieden. Als dann bei der Weihnachtsfeier die Bitte an ihn herangetragen wurde, weiter so gut zu wirtschaften, freute er sich noch mal besonders. Im nächsten Jahr wünscht sich das Team nämlich Rügen, Störtebecker-Festspiele. 150 Mitwirkende, vier Schiffe, ein Riesenspektakel mit Kanonen und Feuerwerk über dem Meer. Sogar barrierefreier Zugang. Obwohl: Den können sie notfalls auch mitbringen.

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